Hallo Meckerle,
ich sehe nicht, dass es ein Argument in dem “Kaffeesatzleserei”-Thread im DMSG-Forum gäbe, das begründen würde, warum das Zählen von Läsionen nicht alles sei. Ich will auch gar nicht behaupten, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Anzahl der Läsionen und Symptomatik oder gar Lebensqualität gäbe. Läsionen können sich ja offenbar auch in Bereichen des Gehirns befinden, die für keine Körperfunktion wirklich wichtig zu sein scheinen: Es gibt wohl MSler, deren Gehirne mit unzähligen Herden durchsetzt sind, denen es aber vergleichsweise gut geht - und dann gibt es solche mit wenigen Herden, die aber nicht mehr laufen oder nicht mehr sehen können. Und Lebensqualität hängt sowieso stark von der Persönlichkeit und dem Umfeld ab: Ich kenne Menschen mit Behinderungen, die wesentlich zufriedener mit ihrem Leben sind als viele Menschen ohne Behinderungen. Das ändert aber nichts daran, dass ich trotzdem denke, dass jede Behinderung verhindert werden sollte, wenn es möglichst ohne große Nachteile machbar ist. Daher kann es mich von meinem Interesse für mögliche Medis für meine Freundin auch nicht abbringen, wenn ich weiß, dass bezogen auf 80 % der MSler in British Columbia “nur” 6 % mit 50 im Rollstuhl saßen und “nur” 28 % mit 50 am Stock gingen.
Nur damit ich weiß, inwiefern wir gemeinsame Grundauffassungen teilen, die wir in unserer Diskussion als selbstverständlich voraussetzen können: Du würdest doch nicht anzweifeln, dass MS-Symptome auf Herde zurückzuführen sind (auch wenn das nicht umgekehrt heißt, dass jeder Herd ein Symptom bedeutet), oder?
In den zwei Monaten, die ich jetzt die Diskussionen hier im Forum verfolge, habe ich eigentlich nicht wahrgenommen, dass irgendjemand Tysabri als “Wundermittel” hinstellen möchte. Gut, Anton spricht davon, dass die Wirkung riesig sei. Das ist ziemlich euphorisch, allerdings m. E. angesichts der Studiendaten im Vergleich zu den sonstigen Medis auf dem Markt auch nicht völlig unberechtigt. Aber es gibt doch durchaus eine kritische Diskussion rund um Tysabri und ich sehe hier keine Beiträge, die einfach sagen würden: “Tysabri heilt alles und macht keinerlei Nebenwirkungen.” oder “PML hat’s unter Tysabri nie gegeben.” oder dergleichen. Ich denke daher, dass du mit der Formulierung “Wundermittel” etwas unterstellst, was so eigentlich niemand behauptet.
Das Argument mit den Krankenkassen übersieht m. E. einen entscheidenden Punkt, den du, ich und auch andere hier und anderswo schon öfters betont haben: Es ist nicht klar, wie das Langzeitrisiko von Tysabri aussieht. Solange das nicht klar ist (also das Medikament noch nicht eine Generation lang auf dem Markt war, also 20, 30, 50 Jahre lang), sind alle Kalkulationen darauf, dass der Preis für Tysabri locker durch die mit Tysabri erreichte Verhinderung von Symptomen finanziell aufgewogen wird, reine Spekulation. Die Krankenkassen bzw. die Entscheidungsträger bei der Emea werden sich im Zweifelsfall denken: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.