Hallo Paps,
“Hab mal gelesen, dass man das am Vormittag machen soll.”
- optimalerweise nicht nur am Vormittag, sondern schon morgens zwischen 6 und 8 Uhr, entsprechend dem zirkadianen Rhythmus der körpereigenen Cortisolproduktion in der Nebennierenrinde. Diese erreicht morgens zwischen 6 und 8 Uhr ihren Höhepunkt.
Eine Verabreichung zu dieser Zeit ist aber weder im Klinikalltag noch ambulant in der Arztpraxis organisatorisch möglich. Mit Tabletten, die man frühmorgens einnimmt, geht das noch am ehesten. Meine Methode: Wecker auf 6 stellen, um 6 Magenschutz schlucken, um 6.30 Uhr Dexa-Tabletten schlucken, noch eine Runde weiterschlafen.
“Hab auch irgendwo gelesen, das sich die Fliesgeschwindigkeit nach dem Körpergewicht richtet.”
- Davon habe ich noch nichts gelesen. Man kann die Einnahmegeschwindigkeit ja bei einer anderen Einnahme als per Infusion auch nicht einfach nach dem Körpergewicht richten. (Tabletten laaangsam schlucken?) Und die Fließgeschwindigkeit des Blutes richtet sich auch nicht nach der KOF. Dass man Cortisone nicht per Bolus verabreicht, sollte den Medizinern bekannt sein.
“Ich hab keine Kalium Tabletten dazu bekommen. Kann mir jemand sagen, wo das geschrieben steht?”
- Ja, ich. In der Packungsbeilage oder der Fachinformation. Bei Prednisolon oder Methylprednisolon steht meistens etwas drin wie “Serum-Kalium-Spiegel überwachen.” Das sollte bei Corticoiden mit mineralocorticoiden Nebenwirkungen routinemäßig geschehen.
Diese Corticoide führen zu Natriumretention (Effekt: Wassereinlagerung) und Kaliumausscheidung (Effekt: Hypokaliämie, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Hypokaliämie ), aber den meisten Neuros geht das am A…llerwertesten vorbei. Mich hätten sie mit dieser Schlamperei fast auf die Intensivstation gebracht.
Leider findet man das auch kaum in den üblichen Ratgebern für Neudiagnostizierte. Schade, denn nach meinem Eindruck leiden mindestens zwei Drittel der SchubpatientInnen bei der branchenüblichen Cortison-Overkill-Therapie unter Herzrasen, Muskelschwäche und Schwindel.
Ich schreibe darum immer mal wieder hier, dass ihr bei Herzrasen und Muskelschwäche bei der Schubbehandlung euren Serumkaliumspiegel überwachen lassen sollt. Das ist sogar vorgeschrieben, aber es wird leider meistens vergessen.
Wenn Cortison nicht so stümperhaft verabreicht wird, wie von den Neuros, sondern richtig, dann ist es kein “Teufelszeug”, sondern kann sogar ein Lebensretter sein. Und es ist als Medikament weit weniger gefährlich als eine rezeptfreie Schmerztablette wie z.B. das ECHTE Teufelszeug Thomapyrin.
An die Cortison-Angsthasen: An ASS sterben viel mehr Menschen als an Cortisonen. Und die meisten SchubpatientInnen fühlen sich viel zu mies, um auf dem Balkongeländer zu balancieren (diese 40 Jahre alte Geschichte hat nun wirklich SOOOOO’n Bart, Herr Weihe)!
Außerdem reicht für so einen Blödsinn auch ein Alkoholrausch! Und, übrigens, es gibt kein Speicherorgan für Cortisol, es muss täglich produziert werden - das Märchen von den “erschöpften Cortisonspeichern” ist frei erfunden.
Liebe Grüße
Renate