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Immer in Bewegung mit Multipler Sklerose (MS)

"Leben ist Bewegung und ohne Bewegung findet Leben nicht statt", sagte schon der Bewegungstherapeut Moshé Feldenkrais. Davon ist auch Klaus überzeugt, denn für ihn sind Bewegung und Sport nicht nur Grundbedürfnis und Lebenselixier, sondern auch Therapie und Vorbeugung gegen seine Symptome der Multiplen Sklerose und damit ein fundamentaler Beitrag zur Lebensqualität.

Klaus (Anfang 40) steht trotz MS mitten im Leben. Für die mentale Bewegung sorgt sein Job als IT-Koordinator bei einem internationalen Konzern. Seine Aufgabe ist die Koordination der Systemadministratoren weltweit, außerdem ist er Schnittstelle zu externen IT-Dienstleistern und organisiert Online-Schulungsprogramme. Für sportlichen Ausgleich sorgt Klaus selbst mit großer Konsequenz, Tage ohne Sport sind bei ihm sehr selten.

Zusammen mit seiner Partnerin Nicole, die ebenfalls MS hat, und ihrer Tochter Julia (12) lebt er im Großraum Nürnberg. Er hat die schubförmige Verlaufsform der MS. Nicole ist mit ihrer sekundär progredienten MS stärker beeinträchtigt als er, sie bewegt sich inzwischen mit Rollator und Rollstuhl durchs Leben. Ein Foto aus den Alpen beweist jedoch: Auch im Rollstuhl kann man Berggipfel erklimmen. Und Berggipfel sind mit Abstand der Lieblingsort des Sport-Fans.

„Mr. Nebenwirkungen“

Erste Anzeichen bemerkte der gelernte IT-Kaufmann im Sommer 2012.
Er hatte Sehstörungen, bei der Arbeit tanzten nur noch Buchstaben auf dem Bildschirm, Worte konnte er nicht mehr erkennen. Die Erklärung lag für ihn auf der Hand – er lebte damals gerade in Scheidung, eine belastende Situation, zusätzlich zum normalen beruflichen Stress. Im Frühjahr 2013 kamen Sensibilitätsstörungen linksseitig in Gesicht und Arm hinzu. Klaus kam mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall ins MRT, nach Liquordiagnostik stand die Diagnose MS jedoch schnell fest.

Verschiedene Therapieansätze verursachten bei ihm teils starke Nebenwirkungen: Die Kortison-Stoßtherapie führte zu Herzrhythmusstörungen und erhöhter Pulsfrequenz. Auf Dimethylfumarat reagierte Klaus nach einem Jahr mit Magenkrämpfen. Auch den monoklonalen Antikörper Natalizumab vertrug er schlecht: Er hatte starken Schwindel und gefühlt bleischwere Beine, sodass er kaum mehr gehen konnte. Den letzten Schub hatte Klaus 2015, danach ging die Krankheitsaktivität glücklicherweise erst einmal zurück. Im Winter 2016/ 17 entschloss er sich in Absprache mit seinen Ärzten, die Medikation vorläufig auszusetzen.

Schon während seiner ersten Reha 2013 wurde ihm der Spitzname „Mr. Nebenwirkungen“ verliehen, gefolgt vom Attribut des "am besten informierten MS-Patienten". Klaus informiert sich gerne auf den Internetseiten der AMSEL, verfolgt die Diskussionen in entsprechenden Foren und liest mit Vorliebe medizinische Studien, wenn nötig, auch auf Englisch. Im Frühjahr 2018 zeigten sich im MRT neue Entzündungsherde, sodass Klaus eine Therapie mit Ocrelizumab begann, die er bis heute gut verträgt.

Wie kommt ein Franke zu AMSEL e.V.?

Bei der Reha 2013 im Neurologischen Rehabilitationszentrum Quellenhof traf Klaus AMSEL-Vorstandsmitglied Ralf Fischer, der ihn für die AMSEL begeisterte, zur Mitgliedschaft motivierte und „so richtig in die Spur brachte“, wie er sagt. Sie sind heute noch freundschaftlich verbunden. Gleiches gilt für die AMSEL. Dass er im Quellenhof auch Nicole kennengelernt hat, bezeichnet Klaus als größtes Geschenk, das ihm seine Krankheit machen konnte.

Sport als Multiple Sklerose-"Therapie"

Das Skifahren hat Klaus mit drei Jahren begonnen, Schwimmen mit vier, Sport liegt quasi in seiner DNA. Skifahren war schon immer seine Leidenschaft und wurde ihm aufgrund seiner MS zum Ansporn und Trainingsziel. Trotz Beeinträchtigung wollte er wieder auf Skiern die Berge hinunterbrettern, die Aussicht von den Gipfeln, die Geschwindigkeit und das Gefühl der Freiheit genießen.

Krafttraining, Schwimmen, Joggen, Wandern, auch Bergwandern sieht er als Trainingseinheiten auf sein liebstes Ziel hin: die Berggipfel. Sehr gern ist er mit seinem Freund Michi unterwegs, denn die beiden haben in etwa das gleiche Leistungsniveau und verstehen sich ohne Worte. Die traditionellen Samstagswanderungen mit Michi – kurze Version 18, lange Version 30 Kilometer – sind im Herbst und Winter der perfekte Ausgleich zum Bürojob. Vervollständigt wird dieses Ritual durch gemeinsames Schlemmen und Spieleabende, bei denen auch Nicole nicht fehlen darf. Und ab 17 Grad Wassertemperatur trifft man Klaus fast täglich beim Schwimmen an.

2018 entdeckte der IT-Experte seine Liebe zum Mountainbiken. Zusammen mit Michi ist er zu Events wie dem „Stoneman“ in ganz Europa unterwegs und absolviert Rundkurse mit circa 180 Kilometern und bis zu 4.000 Höhenmetern in den Dolomiten (in Planung), im Erzgebirge oder den Ardennen. Sein E-Mountainbike gibt ihm bei Bedarf den nötigen Schub, sofern seine Pulsfrequenz ungewollte Gipfel erklimmt. Wenn sich sein Herz beruhigt hat, geht es wieder ohne elektrische Unterstützung weiter.

Mitten im Leben trotz Multipler Sklerose (MS)

Sollte er dem inneren Schweinehund doch einmal Raum geben und ein paar Tage nicht trainieren – was selten vorkommt –, meldet sich seine MS prompt mit erhöhtem Muskeltonus und Krämpfen im linken Oberschenkel. Neben der Medikation ist deshalb Sport für ihn die beste Therapieoption.

Etwas ruhiger lässt es der Gipfelstürmer nur nach seinen regelmäßigen Ocrelizumab-Infusionen angehen, die ihm meist eine Arbeits- und Trainingspause abverlangen. Zum Glück steht sein Arbeitgeber voll hinter ihm, sein Chef war einer der Ersten, denen er seine Diagnose mitteilte. Durch seine Offenheit stößt Klaus auch in seinem Team auf Verständnis und Bereitschaft zur Unterstützung. Ein kleines Zugeständnis an seine MS hat er Anfang des Jahres gemacht und seine Arbeitszeit um zwei Wochenstunden reduziert. Sein Überstundenkonto füllt sich dadurch schnell und erlaubt ihm alle sechs Wochen eine kleine Auszeit zur Erholung samt verlängertem Sportwochenende. Damit sind seine sportlichen Aktivitäten auch „familienkompatibel“, wie er es nennt und der Familienurlaub bleibt unangetastet.

Klaus möchte der MS keine Chance geben, die Hoheit über sein Leben zu übernehmen. Das beste Mittel dagegen: immer in Bewegung bleiben, der MS einen Schritt voraus sein.

Quelle: together 03.22

Redaktion: AMSEL e.V., 08.09.2023