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AMSEL-Aktionstag: die Zukunft der MS-Therapie

Auch am zweiten Tag des Aktionstagwochenendes war viel Action geboten. Und: Expertise von erfahrenen Neurologen. Prof. Mathias Buttmann und Dr. Lienhard Dieterle klärten auf.

Blick in die Zukunft der MS-Therapie

“Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – mit diesem Zitat wagte Prof. Dr. med. Mathias Buttmann, Chefarzt der Neurologie am Caritas Krankenhaus Bad Mergentheim und Mitglied des Ärztlichen Beirats der AMSEL, einen Blick in die Zukunft der MS-Therapie. Wie soll man die MS im besten Fall heilen, wenn man die Ursachen der Erkrankung trotz aller Fortschritte immer noch unzureichend versteht?

Bewiesen sei streng genommen bislang nicht einmal die Annahme, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Zwar gab es bereits mehrere vermeintliche Durchbrüche, doch bleibt aktuell letztlich weiterhin unklar, gegen welche molekularen Strukturen sich die angenommene Autoimmunreaktion richtet. Dennoch gelingt es mit den inzwischen zur Verfügung stehenden Immuntherapeutika in vielen Fällen, eine befriedigende Kontrolle von Krankheitsschüben und kernspintomographischer Krankheitsaktivität zu erreichen. Ein großes Problem bleibt hingegen nach wie vor die Therapie rein schleichender Verlaufsformen der MS.

Für nicht schubförmige Verläufe sind zwar seit wenigen Jahren Siponimod und Ocrelizumab zugelassen, jedoch ist deren nachgewiesener Nutzen bei rein schleichenden Verlaufsformen jeweils begrenzt mit einer Wirksamkeit vor allem bei Nachweis von kernspintomographischer Krankheitsaktivität. Analysen der Ocrelizumab-Zulassungsstudien machen allerdings Hoffnung, dass höhere Dosierungen das Risiko neuer bleibender Einschränkungen stärker reduzieren könnten als die derzeitige Dosis von halbjährlich 600 mg. Momentan laufen deshalb Hochdosisstudien mit bis zu 1.800 mg pro Infusionszyklus. Sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit solcher Dosierungen bleiben abzuwarten.

Hilft mehr immer mehr? Wohl nicht immer, wie eine Studie mit Glatirameracetat bei schubförmiger MS nahelegt: In einer Depotvariante des Wirkstoffs reichten 40 Milligramm pro Monat in den Muskel aus, um die Schubrate gegenüber einem Placebo signifikant zu senken. Eine Zulassung wird derzeit angestrebt.

Besonders große Hoffnungen setzt die Wissenschaft auf Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren, kurz BTKi. Diese Wirkstoffe dämpfen die Aktivierung der B-Lymphozyten, anstatt sie wie die zugelassenen Anti-CD20-Antikörper ganz aus dem Blut zu entfernen. Vor allem aber könnten sie im Gegensatz zu diesen Antikörpern zusätzlich Immunzellen im Gehirn, die sog. Mikroglia, günstig beeinflussen. Diese Mikroglia unterhält wahrscheinlich chronische Entzündungsvorgänge (Stichwort „Smouldering MS“), die einer schleichenden Verschlechterung vor allem zugrundeliegen. Erste Phase-3-Studienergebnisse zu schleichenden Verlaufsformen werden 2025 erwartet.

Weitere Hoffnungen, allerdings durchaus risikobehaftet, bietet die autologe Stammzelltherapie, die in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat und sicherer geworden ist. Die Grundidee dieser Behandlung ist, das fehlgeleitete Immunsystem zumindest teilweise zu beseitigen und durch Stammzellen aus dem eigenen Körper neu aufbauen zu lassen. Vor einem möglichen breiteren Einsatz brauche es allerdings zunächst gut kontrollierte Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit. Intensiv geforscht werde außerdem zu neuroprotektiven und reparaturfördernden Wirkstoffen, die in Zukunft die entzündungshemmende Therapie ergänzen könnten.

Das Fazit des erfahrenen Neurologen lautete allerdings: „Unsere beste Möglichkeit bleibt aktuell nach wie vor, Entzündung so früh im Verlauf wie möglich mit den vorhandenen Wirkstoffen so gut wie möglich zu kontrollieren, um so bleibende Schäden im Nervensystem so gut wie möglich zu verhindern.“

Expertenrunde zur Immuntherapie

Wichtige Kriterien für den Therapieerfolg, waren sich Prof. Mathias Buttmann und Dr. Lienhard Dieterle einig, seien zum einen eine angepasste Immuntherapie und zum anderen Kopf und Psyche, also die Einstellung zur Krankheit. Der Rat der beiden Experten: Den Ball möglichst flach halten, regelmäßige neurologische Kontrollen wahrnehmen, sich aber nicht mehr als nötig mit der MS beschäftigen und LEBEN, so gut es die Umstände erlauben.

Über die Workshops zu Ernährung, Ausbildung, Akzeptieren der MS, Entspannung sowie Partnerschaft und Sexualität lesen Sie in den kommenden Tagen auf amsel.de.

AMSEL e.V. dankt Merck Healthcare Germany, Novartis Pharma GmbH, Roche Pharma AG und Teva GmbH für die freundliche finanzielle Unterstützung bei der Durchführung des Aktionstages.Dank geht außerdem an die Gemeinschaftsförderung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und die Lechler Stiftung.

Redaktion: AMSEL e.V., 03.05.2024