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Welche MS-Therapie ist die richtige?

Einen Goldstandard, also die eine richtige Therapie der MS gibt es nicht, so Professor Flachenecker, Vorsitzender des Ärztlichen Beirats der AMSEL und Chefarzt des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof in Bad Wildbad. Dafür gibt es aber eine Vielzahl an Kriterien, die bei der Therapiewahl helfen können.

Therapieentscheidung ist bei Multipler Sklerose immer eine Einzelfallentscheidung, idealerweise getragen vom Patienten und dem behandelnden Arzt. Interessant dabei: Knapp 80 Prozent der MS-Betroffenen wünschen sich eine aktive Rolle und sehen den Arzt als Experten und Berater an ihrer Seite. Im Rahmen des Welt-MS-Tages 2022 berichtete Prof. Dr. med. Flachenecker, was bei der Entscheidung über eine Immuntherapie und das passende Medikament bedacht werden sollte. – Der komplette Vortrag kann auch als Video angeschaut werden:

Bei inzwischen 17 Wirkstoffen und 24 zugelassenen Präparaten müssen viele Aspekte berücksichtigt werden. An erster Stelle die Verlaufsform: die meisten Medikamente sind für die schubförmig remittierende Form der MS zugelassen. Für die sekundär progrediente Form mit aufgesetzten Schüben wird die Auswahl kleiner, erst recht für den sekundär progredienten Verlauf ohne Schübe und die primär progrediente Form.

Schon früh stark wirksam behandeln?

Zu überlegen ist, welche Strategie man befolgen will: Mit Basistherapeutika einsteigen, um erst bei Bedarf die stärker wirksamen Immunmodulatoren einzusetzen? Oder aber früh stärkere Geschütze auffahren? Die höhere Wirksamkeit des Präparats kann zwar die Schubaktivität effizienter reduzieren, kann aber unter Umständen schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Entscheidend ist die Krankheitsaktivität, bemessen nach Schüben und neu aufgetretenen Entzündungsherden in der MRT-Bildgebung, und die Abwägung von Nutzen und Risiken.

Weiteres wichtiges Entscheidungskriterium sind Begleiterkrankungen: Bestimmte MS-Wirkstoffe haben auch positive Effekte auf andere Autoimmunkrankheiten wie bspw. rheumatische Erkrankungen, Psoriasis oder Morbus Crohn und können gezielt dort eingesetzt werden. Im höheren Alter müssen die Risiken von Herz-Kreislauf- und Lebererkrankungen einkalkuliert werden, dazu die schwächere Wirksamkeit der MS-Medikamente bei gleichzeitig höherem Nebenwirkungspotenzial. Die gute Nachricht dabei: Jenseits der 60 nimmt die Schubrate in der Regel ab.

Dein Wille zählt

Im Fokus sollten vor allem auch die persönlichen Präferenzen des Patienten stehen. Welche Darreichungsform wird bevorzugt, welche Anwendungsfrequenz lässt sich am besten in den Alltag integrieren? Die tägliche Tablette, regelmäßige Injektionen oder aber Infusionen in bestimmten Intervallen? Ist die nächste Infusionsambulanz gut erreichbar, und hat sie Termine frei?

All diese Faktoren wollen beachtet sein, um das individuell passende Therapiekonzept zu finden. Ergänzt werden sollte die medikamentöse durch eine symptomatische Therapie mit Reha-Maßnahmen, Physio- und Ergotherapie. Ziel einer jeden Therapie ist die Freiheit von klinisch relevanter und messbarer Krankheitsaktivität (Schubaktivität, Läsionen, Fortschreiten der Behinderung). Der beste Ausgangspunkt dafür ist die gemeinsam getroffene Therapieentscheidung, die entscheidend zur Adhärenz, dem „Dranbleiben“, beiträgt.

Mögliche Entscheidungskriterien für eine Immuntherapie:

→ Verlaufsform der MS

→ Krankheitsaktivität

→ Nebenwirkungen

→ Anwendung / Verfügbarkeit

→ Begleiterkrankungen

→ Patientenpräferenzen

→ Alter

Quelle: together, 02.22

Redaktion: AMSEL e.V., 14.10.2022