http://www.fda.gov/OHRMS/DOCKETS/ac/06/slides/2006-4208S1-01-02-%20Biogen-Panzara.pdf

siehe 14 von 39
die Kurven von Ty und Scheinpräparat bei Infektionen sind fast identisch…das hätte ich so nicht erwartet!

Ich frage mich, wo die Daten herkommen. Es sieht ziemlich danach aus, dass die beiden im NEJM veröffentlichten Studien in der Präsentation zusammengezählt wurden (also die schon in dem langen Thread angesprochene Studie: http://mspatientsforchoice.org/NEJM%20TYSABRI%20ABSTRACT%203-2-06.pdf und die, die, in der mit Interferon kombiniert wurde: http://mspatientsforchoice.org/NEJM%20TYSABRI%20ARTICLE%203-2-06.pdf). Die Nennung der PML-Fälle weist zumindest daraufhin.
Allerdings stimmen die Zahlen nicht richtig.

Vielleicht haben sie das statistische Material der beiden MS-Studien und noch ein paar Einzelfälle in einen Topf geworfen und das noch einmal ausgewertet. Das wäre aber auch ziemlich irritierend, weil in beiden Studien im NEJM sämltliche Nebenwirkungen in der Natalizumab-Gruppe häufiger auftreten als in der Placebogruppe, bis auf einige wenige, die gleich häufig auftreten. Mit dem Zahlenmaterial könnte nie und nimmer behauptet werden, dass die Infektionen bei der Placebogruppe insgesamt sogar geringfügig höher als in der Natalizumab-Gruppe waren (73,9 % zu 73,7 %), wie es in der Präsentation und insbesondere mit dem Graphen behauptet wird. Sie waren in den NEJM-Studien eindeutig und signifikant höher als in der Placebogruppe.

Vielleicht stammt das Datenmaterial aus neueren Studien. Dann würde mich interessieren, wo die denn veröffentlicht wurden.
Vielleicht ist es auch nur Augenwischerei.

Zur allgemeinen Diskussion möchte ich anmerken, dass ich ursulas letztes Posting sehr angenehm fand, weil ich eher ein Freund von Versöhnlichem bin. Aber einige von euch scheinen ja auch viel Freude am Geitze und Getritze zu haben. Da es euch Spass macht, kann ich dem ab und an auch eine lustige Seite abgewinnen.

Nichtsdestotrotz freue ich mich mit UweA, dass er gute Erfahrungen mit Tysabri macht.

Und Meckerle: Ich will und kann auch niemandem die Entscheidung abnehmen, was ein guter Weg des Umgangs mit der Krankheit ist. Aber genauso wie die Nebenwirkungen einen grausen lassen, sind die Herde ein großes Übel. Jeder neue Herd kann zu einer schweren Behinderung führen. Wenn einige das Risiko der Herde lieber eingehen als die Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, so ist das ihre Entscheidung und ich wünsche ihnen Glück. Aber ob sie damit tatsächlich auf lange Sicht mehr Lebensqualität erreichen, lässt sich sehr schwer entscheiden und ja leider wohl auch für keinen einzigen Betroffenen wirklich abschätzen. Die Zukunft ist ungewiss.

Hallo Bert,

auch ich kann und will die Entscheidung niemand abnehmen. Das kann und will ich nicht mal bei meiner Frau machen.

Was mich bei den Zahlen nachdenklich macht, ist die Tatsache, daß obwohl die Probanden ja “relativ gesund” waren, die Nebenwirkungen, oder besser MS-Symptome, unter Tysabri deutlich mehr waren als in der Placebo-Gruppe.

Daß die Zahl der Herde niedriger war, ist unstrittig.

Für mich stellt sich nun die Frage, was passiert bei Erkrankten, die bereits mit diesen Sysmpotmen zu kämpfen haben. Wird das unter Tysabri nochmal schlimmer? Und wie ist es zu erklären, daß trotz weniger Herde, und damit eigentlich niedriger Krankheitsaktivität, die Symptome stärker wurden?

Vieleicht hat ja jemand eine schlüssig Erklärung auf meine Fragen.

Es dankt im Voraus

Das Meckerle

Da hast du mich aber erwischt - da core!

Jetzt könnte ich es ja mit Adenauer halten “wat interesiert mich mein Geschwätz von jestern” … abr Spaß beiseite … Manche Postings nerven mich einfach. Und dann schreib ich das auch. Genauso wie du geschrieben hast, dass Dich meine Postings nerven. So ist halt das Leben in Foren.

Es grüßt

Das Meckerle

Hallo Meckerle,

da ich kein Arzt und auch kein Biologe bin, kann ich das nicht gut beantworten. Allerdings wundert es mich auch nicht, dass z. B. Fatigue häufiger bei den Tysabri-Probanden vorkommt. Man darf ja nicht vergessen, dass Tysabri nicht die Ursache der MS bekämpft, die ja anscheinend eh noch niemand kennt. Statt den Krankheitsprozess abzustellen, greift Tysabri nur in den Krankheitsprozess ein, legt quasi einen Schalter um, damit die schlimmste Krankheitsfolge verhindert wird: der Angriff des Immunsystems auf die Nervenzellen. Solche systemischen Krankheitssymptome wie Fatigue werden ja nicht davon abgestellt, dass die Nervenzellen geschützt werden. Ich vermute mal, dass die Fatigue viel eher damit zusammenhängt, dass das Immunsystem bei MSlern ja auf Hochtouren läuft - und diese permanente Überanstrengung des Immunsystems macht einfach müde. Bei Natalizumab läuft das Immunsystem ja wahrscheinlich weiter auf Hochtouren, wer weiß, vielleicht dreht es nochmal extra auf, weil es sein Ziel, die Nervenzellen, nicht mehr erreichen kann. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, warum Fatigue häufiger in der Natalizumabgruppe auftrat.
Jedenfalls vermute ich, dass jedes Medikament, dass nicht wirklich die Ursache bekämpft, eher eine zusätzliche Belastung für den sowieso schon kranken Körper ist. Aber wenn man dadurch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erreichen kann, dass es keine weiteren Herde gibt oder deutlich weniger, dann ist es vielleicht sinnvoll, diese Belastung auf sich zu nehmen, da ja jeder neue Herd eine noch viel größere Belastung sein kann.

Aber es sei nochmal erwähnt: Ich bin kein Arzt und habe nur bildhafte Vorstellung von dem Prozess, deswegen kann das auch alles falsch sein, was ich vermute.

ein wirklich interessanter Link von der FDA:
http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-02-%20Biogen-Panzara.pdf

2-Jahres-Ergebnisse bezüglich Nebenwirkungen auf Folie 4 von 39:
die ernsten Nebenwirkungen (SAE) unter Natalizumab (15.5%) sind gegenüber einem Scheinpräparat (18.9%) geringer;!!

Weshalb werden denn hier horrorähnliche Nebenwirkungen diskutiert, obwohl diese unter Natalizumab nicht höher sind als unter einem Plazebo?
Die einzige wirklich beunruhigende Gefahr scheint mir PML zu sein, und diese ist bei MS in der Monotherapie bisher noch nicht aufgetreten. Wieso werden hier die Leute derartig verunsuichert? Sobald PML frühzeitig diagnostizierbar ist und geeignete Therapieansätze zur Verfügung stehen, dann spricht wohl nichts mehr gegen eine Therapie mit dem mit Abstand wirkungsvollsten Medikament zur Behandlung der MS - und darauf warten mit mir viele Tausende seit Jahren!

Ich nicht!

“da core” is guuuuut!

pruuuuuuust!

Hallo bert,

die Wirkungsweise ist wie folgt:
Natalizumab ist ein Antikörper gegen α4-Integrin. Er ist durch seine Struktur in der Lage, die Andock-Rezeptoren der Blut-Hirn-Schranke (VCAM-Molekül, VCAM = vascular cell adhesion molecule) und von T-Lymphozyten (VLA-4-Molekül) zu belegen. Dadurch sind die T-Lymphozyten nicht mehr in der Lage, an der Blut-Hirn-Schranke anzudocken und können deshalb auch nicht mehr in das zentrale Nervensystem (ZNS) vordringen, wo sie bei MS-Patienten folgenschwere Entzündungsreaktionen hervorrufen würden.
(aus Wikipedia)

Also etwas vereinfacht das Immunsystem wird aus dem Nevensystem ausgesperrt.
Das Entscheidende: Das Immunsystem existiert noch im restlichen Körper und tut
dort seinen Dienst. Das ist der wesentliche Unterschied zu Chemos.
Die meisten Chemos machen das gesamte Immusystem platt und das
bis zu 6 Monaten oder länger. Ein Leben, wenn auch nur vorübergehend, ohne bzw.
stark geschwächtem Immunsystem ist nicht ungefährlich.
Eine medizinische Begründung für Fatigue nach der Tysabri-Infusion ist mir auch
noch nicht untergekommen. Es gibt aber auch viel Fälle, die berichten von keinen Nebenwirkungen und “mehr Kraft” zwei Tage nach der Infusion.

samoa

Du nicht was?

Also wenn ich das richtig kapiere, beziehen sich die Daten von Panzara nicht nur auf die beiden Phase-3-Studien, die im NEJM abgedruckt waren, sondern zusätzlich noch auf irgendwelche Phase-2- und Phase-1-Studien, vgl. dazu Seiten 19 und 20 in der Präsentation, in dem Teil von Sandrock.
Die Infektionsdaten in dem Teil von Panzara auf Seite 47 müssen falsch sein. Mit den paar Probanden in den Phase-1 und -2-Studien lässt sich kein Ausgleich der Infektionsraten zwischen Natalizumab-Gruppe und Placebogruppe erreichen. Die beiden Studien in dem NEJM zeigen deutlich, dass keine Nebenwirkung häufiger in der Placebogruppe war, aber etliche Nebenwirkungen häufiger in der Natalizumab-Gruppe. Und diese beiden Studien umfassen 2210 der 2752 Probanden. Da müsste schon etwas sehr seltsames in den Phase-1 und -2-Studien passiert sein.

Die gesamte Präsentation ist über diese PDFs verteilt:
Seiten 1 bis 5
www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-01-%20Biogen-Adelman.pdf

Seiten 6 bis 36
www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-03-%20Biogen-Sandrock.pdf

Seiten 37 bis 75
www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-02-%20Biogen-Panzara.pdf

Seiten 76 bis 103
www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-04-%20Biogen-Bozic.pdf

Seiten 104 bis 116
www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-4208S1-01-05-%20Biogen-Rudick.pdf

Ich habe mich geirrt. Es ist nicht unmöglich, dass die Daten, die Panzera auf Seite 47 der Präsentation gibt und die auf Seite 50 der Präsentation graphisch dargestellt werden, mit denen aus den NEJM-Studien in Einklang zu bringen sind. Das Problem ist, dass sowohl in der Präsentation als auch in den Studien nicht die Fälle von Infektionskrankheiten gezählt werden, sondern die Probanden, die eine Infektionskrankheit hatten. Das führt dazu, dass man anhand der gegebenen Daten nicht wissen kann, wieviele Infektionen jeder Proband hatte. Und man kann auch nicht sagen, welche Infektionen der einzelne Proband hatte.

Ich will das Problem im Folgenden näher erläutern:
Laut dem Sandrock-Teil der Präsentation, Seite 19, setzen sich die gesamten MS-Probanden aus 67 Phase-1-Probanden, 575 Phase-2-Probanden und 2110 Phase-3-Probanden zusammen. Die Daten zu den Phase-1- und -2-Probanden fehlen mir, das sind allerdings auch nur etwa 23,3 % der gesamten 2752 Probanden. Ich bin mir sicher, dass die 2110 Phase-3-Probanden diejenigen aus den beiden im NEJM veröffentlichten Studien sind – dafür sprechen sehr viele Zahlen in der gesamten Präsentation, z. B. die auf Seite 20 im Sandrock-Teil. Außerdem scheint es andere veröffentlichte Studien ja auch gar nicht zu geben.
Die Nebenwirkungsquoten der Natalizumab/Placebo-Studie finden sich hier:

http://content.nejm.org/content/vol354/issue9/images/large/04t3.jpeg

Die Nebenwirkungsquoten der Natalizumab-Interferon/Placebo-Interferon-Studie finden sich hier:

http://content.nejm.org/content/vol354/issue9/images/large/05t3.jpeg

Beide Tabellen zeigen eindeutig, dass der Prozentsatz von Probanden mit Nebenwirkungen in der Natalizumab-Gruppe bei jeder einzelnen Nebenwirkung und auch bei den Infektionskrankheiten mindestens gleich groß, meistens aber höher war.

Die Zahlen, aus dem Panzara-Teil der Präsentation, die die Grundlage des genannten Graphen (Seite 50) bilden und die mich hier am meisten interessieren, befinden sich auf Seite 47 der Präsentation, in dieser Datei:

www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/06/slides/2006-42 08S1-01-02-%20Biogen-Panzara.pdf

Laut diesen Daten hatten 73,9 % aller 1135 Placebo-Probanden aus allen in Betracht gezogenen Studien eine Infektion, nämlich 839 Probanden. Und 73,7 % aller 1617 Natalizumab-Probanden aus allen in Betracht gezogenen Studien hatten eine Infektion, nämlich 1192. Mit der Rate der Infektionen pro Patienten-Jahr wird ein Verweis auf die absolute Anzahl der Infektionen aller Probanden gegeben. Diese Rate beträgt 1,50 in der Placebogruppe und 1,54 in der Natalizumabgruppe. Das heißt, dass es in der Placebogruppe ungefähr 1,50 * 2 (Jahre) * 1135 (Probandenanzahl) = 3405 Infektionen gab und in der Natalizumab-Gruppe 1,54 * 2 * 1617 = 4980 Infektionen. Dadurch wissen wir aber auch nicht, was das für Infektionen waren.

Wie kann es nun aber erklärt werden, dass sowohl die durchschnittliche Zahl der Infektionen pro Probandenjahr wie auch die durchschnittliche Zahl der Probanden mit Infektionen in der Placebogruppe prozentual fast genauso groß war wie in der Natalizumab-Gruppe, obwohl aus den Nebenwirkungstabellen der NEJM-Studien doch eindeutig hervorgeht, dass der Prozentsatz der Natalizumab-Gruppe bei jeder Nebenwirkung höher liegt?

Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:

  1. Die Prozentangaben in den Nebenwirkungstabellen sagen nur etwas darüber aus, wieviele Probanden Nebenwirkungen hatten, nicht aber, wie häufig diese Nebenwirkungen auftraten. Wenn wir z. B. wissen, dass Magen-Darm-Infekte in der Natalizumab/Placebo-Studie bei 11 % der Natalizumab-Probanden auftraten, aber nur bei 9 % der Placebo-Probanden, so wissen wir nicht, wie häufig die Infekte bei den betroffenen Probanden auftauchten. Es ist möglich, dass die 9 % betroffenen Placebo-Probanden viel häufiger erkrankten als die 11 % der betroffenen Natalizumab-Probanden, so dass es insgesamt mehr Magen-Darm-Infekte in der Placebo-Gruppe gab als in den Natalizumabgruppe, obwohl prozentual weniger Personen davon betroffen waren als in der Natalizumabgruppe.

  2. Die Prozentangaben in den Nebenwirkungstabellen lassen sich nicht einfach addieren um auf die Gesamtprozentzahl der Probanden mit Nebenwirkungen bzw. Infektionen zu kommen. Jeder Proband, der einen Magen-Darm-Infekt hatte, kann auch einen anderen Infekt gehabt haben, so dass er in den Angaben in den Nebenwirkungstabellen doppelt und dreifach auftaucht. Wenn man diese Angaben nun einfach addiert, dann tut man so, als wäre dieser eine Proband zwei oder drei Probanden.

Diese beiden Gründe sorgen zusammen dafür, dass man aus den Nebenwirkungstabellen überhaupt nicht schließen kann, einerseits wieviele Probanden in beiden Gruppen jeweils einen oder mehrere Infekte hatten und andererseits wieviele Infekte in beiden Gruppen jeweils insgesamt vorkamen. Wenn die Probanden aus der Natalizumab-Gruppe eher viele verschiedene Infektionen pro Proband hatten, während die Probanden aus der Placebo-Gruppe eher viele gleichartige Infektionen pro Proband hatten, wäre die Diskrepanz zwischen den Nebenwirkungstabellen und den Panzara-Daten erklärt.

Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, warum mein Einspruch gegen die Daten aus der Panzara-Präsentation nicht berechtigt war:

  1. Nicht alle Nebenwirkungen werden in den Tabellen aufgelistet:
    Diese Passage aus der Polman-Studie ist dazu sehr aufschlußreich:
    (Übersetzt von mir:)
    „Infektionen waren im Allgemeinen mild bis mittelmäßig-schwer und führten nicht zur Unterbrechung der Natalizumab-Einnahme. Die gesamte Ausdehnung der Infektion war 79 Prozent in jeder Behandlunggruppe und mit einer Rate von 1 pro Patienten-Jahr in jeder Gruppe. Als die Rate neu analysiert wurde, um mehrfaches Auftreten der Infektionen einzuschließen, ging sie in jeder Gruppe nach oben, wie erwartet. Jedoch gab es auch dort keine bedeutenden Unterschiede zwischen den Gruppen, insofern die Infektionen mit einer Rate von 1,52 pro Patienten-Jahr in der Natalizumab-Gruppe auftrat und von 1,42 pro Patienten-Jahr in der Placebogruppe (P = 0.32). Allgemeine Infektionen waren Nasopharyngitis/Erkältung (32 Prozent der Patienten, die Natalizumab empfingen und 33 Prozent von den Patienten, die Placebo empfingen), Grippe (17 Prozent und 16 Prozent), Vireninfektionen der oberen Atemwege (13 Prozent und 15 Prozent), die nicht anderweitig spezifizierten Urin-Trakt-Infektionen (13 Prozent und 12 Prozent), nicht näher spezifizierte Infektionen der oberen Atemwege (13 Prozent und 11 Prozent) und Pharyngitis/Rachenentzündung (12 Prozent und 10 Prozent).“
    (Original: „Infections were generally mild to moderate in severity and did not lead to drug discontinuation. The overall incidence of infection was 79 percent in each treatment group and occurred at a rate of 1 per patient-year in each group. When the rate was reanalyzed to include multiple occurrences of infection, it went up in each group, as expected. However, there remained no significant differences between the groups, with infections occurring at a rate of 1.52 per patient-year in the natalizumab group and 1.42 per patient-year in the placebo group (P=0.32). Common infections were nasopharyngitis (32 percent of patients receiving natalizumab and 33 percent of patients receiving placebo), influenza (17 percent and 16 percent, respectively), upper respiratory tract viral infection (13 percent and 15 percent), urinary tract infection not otherwise specified (13 percent and 12 percent), upper respiratory tract infection not otherwise specified (13 percent and 11 percent), and pharyngitis (12 percent and 10 percent).”)

Es gibt also auch ein paar Nebenwirkungen, die in der Placebogruppe häufiger waren als in der Natalizumab-Gruppe, nämlich Erkältungen und Virusinfektionen der oberen Atemwege. Diese Nebenwirkungen werden in der Tabelle gar nicht erwähnt.
Außerdem ist dieser Abschnitt interessant, weil er die Infektionsrate pro Patienten-Jahr in der Polman-Studie angibt: 1,52 Natalizumab zu 1,42 Placebo. Die Gesamtzahl der Infektionen lag also in der Natalizumab-Gruppe bei 1,52 * 2 (Jahre) * 627 (Probandenanzahl) = 1906 und in der Placebogruppe bei 1,42 * 2 * 327 = 929.

In der anderen NEJM-Studie von Rudick und anderen, in der Natalizumab-Interferon mit Placebo-Interferon verglichen wurde, gibt es einen ähnlichen Absatz (den ich allerdings nicht extra übersetze):
„The incidence of infection was 83 percent in the combination-therapy group and 81 percent in the group assigned to interferon beta-1a alone; infections occurred at a rate of 1 per patient-year in each group. When the data pertaining to infection were reanalyzed to include multiple occurrences, the rate increased in each group, as expected. However, there remained no significant difference between the groups, with infection rates of 1.54 per patient-year with combination therapy and 1.53 per patient-year with interferon beta-1a alone (P=0.95). Common infections were nasopharyngitis (39 percent vs. 35 percent); urinary tract infection, not otherwise specified (18 percent vs. 19 percent); sinusitis, not otherwise specified (18 percent vs. 15 percent); upper respiratory tract infection, not otherwise specified (17 percent vs. 18 percent); and influenza (17 percent vs. 15 percent).”

Hier tauchen nicht näher spezifizierte Urin-Trakt-Infektionen und Sinusitis/Nebenhöhlenentzündungen geringfügig häufiger in der Placebo-Gruppe auf.
Die Infektionsrate pro Patienten-Jahr liegt bei 1,54 bei Natalizumab-Interferon gegenüber 1,53 bei Placebo-Interferon, also noch etwas ausgeglichener als in der Polman-Stuide. Die Gesamtzahl der Infektionen lag also in der Natlizumab-Interferon-Gruppe bei 1,54 * 2 * 589 = 1814 und in der Placebo-Interferon-Gruppe bei 1,53 * 2 * 582 = 1781.

  1. Die Phase-1 und -2-Studien sind mir nicht bekannt und können für Natalizumab günstiger ausfallen. (Müssen es aber gar nicht, wenn man das Ergebnis der folgenden Überlegungen betrachtet.)
    Allerdings ist es möglich, noch eine Schlussfolgerung auf die 642 Probanden dieser unbekannten Studien zu ziehen. Leider stimmen die Daten irgendwie nicht miteinander überein. Sandrock nennt 2110 Probanden der Phase-3-Studien. In den beiden NEJM-Studien wurden aber Nebenwirkungen für 2125 Probanden aufgelistet. Vielleicht sind die überzähligen 15 irgendwelche Studienabbrecher – ich überblicke das gerade nicht ganz. Aber ich bin mir nach wie vor sicher, dass Sandrocks Daten sich auf die NEJM-Studien beziehen.
    Ich vernachlässige diese unterschlagenen 15 Probanden im Folgenden einfach, sie machen nur 0,545 % der gesamten Probandengruppe von 2752 aus, verfälschen die Rechnung also nur minimal.
    Also, wenn die Angaben in den NEJM-Studien korrekt sind und wenn die Angaben von Sandrock und Panzala in der Präsentation korrekt sind, dann müsste Folgendes gelten:
    2125 Probanden aus den beiden NEJM-Studien hatten insgesamt 627 + 589 = 1216 Probanden insgesamt 1906 + 1814 = 3720 Infektionen bei Natalizum-Gabe und 327 + 582 = 909 Probanden insgesamt 927 + 1781 = 2710 Infektionen bei Placebo-Gabe. Zumindest von den 2752 Probanden der Gesamtgruppe wissen wir (siehe ziemlich weit oben in diesem Beitrag), dass es in der Natalizumab-Gruppe 4980 Infektionen gab und in der Placebo-Gruppe 3405 Infektionen. Die restlichen 642 Probanden aus den Phase-1- und -2-Studien müssen also in der Natalizumab-Gruppe 4980 – 3720 = 1260 Infektionen und in der Placebo-Gruppe 3405 – 2710 = 695 Infektionen. Es handelte sich (nur ungefähr, wegen der überschüssigen 15, von denen ich 10 auf die Natalizumab-Gruppe packe und 5 auf die Placebogruppe) um 1617 – 1216 + 10 = 411 Probanden, die Natalizumab erhielten und um 1135 – 909 + 5 = 231 Probanden, die Placebo erhielten.
    Damit müsste die Verteilung der Infektionen in den Phase-1- und -2-Studien so ausgesehen haben:
    Infektionsrate pro Patienten-Jahr in der Natalizumabgruppe: 1260 / (2 * 411) = ungefähr 1,53
    Infektionsrate pro Patienten-Jahr in der Placebogruppe: 695 / (2*231) = 1,50

Dieses Ergebnis fällt jedenfalls nicht aus dem Rahmen der NEJM-Studien.

Quintessenz: Die Daten von Panzara werden wahrscheinlich doch stimmen, auch wenn das den NEJM-Nebenwirkungstabellen auf den ersten Blick überhaupt nicht anzusehen ist.
Allerdings bezieht sich das ausgeglichene Verhältnis nur auf Infektionen. Wäre z. B. Fatigue ähnlich ausgeglichen, würde das sicherlich in einer der Studien oder in der Präsentation auftauchen – tut’s aber glaube ich nicht.

Hmmm, meine gestrigen Beiträge zum Thema und dieser Beitrag wirken wahrscheinlich ziemlich wie Spiegelfechterei. seufz Dann bin ich wohl doch ein biogen-Agent.

Insgesamt würde ich mir wünschen, dass Studien, die ja heutzutage eh alle auch online veröffentlicht werden, ihre (selbstverständlich anonymisierte) Datenbasis mitveröffentlichen. Das würde einiges erleichtern …

Wir haben gerade den Nina-Film gesehen. Die Filmkritik überspring ich mal … :smiley:
In einer der Animationen, ich glaube in der vierten, wird ein Grund für die Fatigue gegeben: Um die gleiche Leistung zu erbringen, muss sich das MS-geschädigte Gehirn mehr anstrengen, weil es Umwege nehmen muss usw. - das macht müde. Klingt durchaus nach einem überzeugenden Grund, aber ob das wissenschaftlich nachgewiesen ist, wurde auf der DVD nicht belegt.

Noch ein Nachtrag:
Auf der CD des Nina-Projekts gibt es einen Fatigue Energie Manager. In dem PDF-Dokument steht auf Seite 6:
“Grund für die geringe pharmazeutische Hilfe ist die unbekannte Ursache der Fatigue.
Einerseits verursachen Schmerzen und Krämpfe Schlafstörungen, die tagsüber mit vermehrter Müdigkeit einhergehen. Andererseits kann eine Überlastung des Gehirns Ursache der lähmenden Tagesmüdigkeit sein: Um die MS-typischen Entzündungen auszugleichen, muss das Gehirn „Überstunden“ leisten.
Wissenschaftler gehen von der Störung einer spezifischen nformationsverarbeitung im Gehirn aus, mit der die Vorbereitung von Bewegungen, die Motivation oder die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus zusammenhängen. Als Entstehungsort dieser Störung vermutet Dr. Ulrich Roelcke das Frontalhirn.”

Der Link führt bei mir nicht zu etwas, das mit Nina zu tun hätte.

Ich habe aber mal die Foren-Suche benutzt und einen ziemlich ausführlichen Thread gefunden, der mit “Nina - ein Leben mit MS Pharma-Soap” überschrieben ist. Meintest du den vielleicht?

Ja, diesen, meinen Thread meinte ich. Leider funktioniert der link aus irgendwelchen Gründen nicht. Aber egal.

Wie wenig man allerdings derzeit die MS im Griff hat sagt sinngemäß Prof.Dr.med. P. Rieckmann in seinem Interview auf der DVD Nina:

Demnach sollte MS “im Bereich der nächsten fünfzig (50 !!!) Jahre zumindest kontollierbar und eventuell zu einem späteren (!) Zeitpunkt heilbar sein”…

Mit anderen Worten: was nützen uns irgendwelche Statistiken wenn die Situation für uns nunmal so aussieht. Tysabri ist nur für wenige geeignet. Von den Wenigen hilft es hoffentlich einigen Wenigen ein wenig- wenigsten etwas. ;-))

LG von Lupo

Ja, ich habe den Thread gelesen. Was hattest du denn da geschrieben, das zensiert werden musste?

Ich persönlich fand eigentlich nur die Interviews mit Dr. Rieckmann und Dr. Kesselring auf der DVD interessant. Da ich aber denke, dass zumindest viele, wenn auch vielleicht nicht alle an dem Projekt Beteiligten durchaus ernsthaft überzeugt waren an einer “guten Sache” zu arbeiten, möchte ich mich in Sachen Filmkritik lieber zurückhalten. Vermutlich gibt es auch durchaus einen Teil von MS-Betroffenen und Angehörigen, denen die DVD tatsächlich Informationen und Mut gebracht hat. Aber über zwei, drei Dinge möchte ich mein Unbehagen dann doch in Worte fassen. Ein eher unwichtiger Punkt ist, dass mir die Musik ziemlich auf die Nerven ging. Das war schon beim Trailer so, noch mehr im Film. Dann finde ich den Film insgesamt zu “betroffen”, zu sprachlos. Das kennt man zwar von deutschen Produktionen, das ziemlich viel geschwiegen wird. Und ein bißchen Betroffenheit hat dem Film sicherlich auch nicht geschadet. Aber so viel Sprachlosigkeit in einem Film, der eigentlich aufklären will und Mut machen will, ist schon sehr seltsam. Und auch die Animationen fand ich zwar im Ansatz nett (wobei der 3D-Kram wirklich Unsinn ist), aber auch längst nicht so informativ wie sie hätten sein können. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die ganze Motivation und der Elan, den die Macher ja durchaus im Making-Of ausstrahlen, auf halbem Wege steckengeblieben ist. Die Bezeichnung Soap fand ich auf jeden Fall ganz passend.

Einen Gedanken vom Meckerle aus dem Thread zu Nina aufgreifend, will ich mich mal ein wenig in Verschwörungstheorie üben: Sollte ein Pharmakonzern irgendwie herausbekommen, anhand welcher Marker man einen gutartigen MS-Verlauf prognostizieren kann, läge es durchaus im ökonomischen Interesse, dieses Wissen vorerst nicht mit der Allgemeinheit zu teilen. Wenn man nämlich die Grundgesamtheit der Probanden in einer Studie nach dem “Zufallsprinzip” aufteilt in solche, die das vermeintlich wirksame Medi bekommen, und in solche, die ein Placebo bekommen, könnte es sehr nützlich sein zu wissen, welche Probanden ohnehin einen gutartigen Verlauf haben. Die würde ich als pharmabezahlter Studienleiter dann nicht unbedingt in die Placebogruppe stecken.

50 Jahre sind sicherlich eine konservative Schätzung. Vielleicht hilft ja ein glücklicher Zufall, vielleicht aber auch nicht.
Mir fehlt sicherlich die Erfahrung von praktizierenden Ärzten und ich kenne nur die Statistiken. Wenn man denen aber wenigstens teilweise Glauben schenken kann und wenn es da nicht doch noch zu irgendeinem erheblichen Gesundheitsrisiko mit Tysabri kommt, dann wäre dein letzter Satz “ein wenig” zu pessimistisch formuliert.

Hallo Lupo, ich denke 50 Jahre ist eine realistische Zeitspanne. Wobei für mich dei Frage bleibt ob wir je restlos verstehen, wa in unserem Körper vorgeht. Und vieleicht sit das auch gut so. Ja Ja ich weiss, ich ahb wieder gegen ein tabu verstossen. Aber wenn man sieht, zu was an sich positive Forschungsergebnisse missbraucht werden… ist es vieleicht gut so.

Die andere Frage ist für mcih sowieos - will die Industrie überhaupt Heilung? Man stelle sich mal vor, es gäbe ein Medikament, daß MS zwar nicht heilt, aber doch so in Griff kriegt, daß es keine weiteren Verschlechterungen, sogar Verbesserungen gibt. Und dass Neu-Erkranke erst gar nicht nennenswert mit der Krankheit geschlagen werden.

Was ist mit den vielen Neurolgen die dann weniger Arbeit ahben, keine regelmäßigen CT´s mehr, keine Rehas, keine Hilfsmittel, keine Krankengymnastik, …
Ist da wirklcih gewollt?

fragt provozierend

Das Meckerle

Hallo Meckerle,

man weiss nicht die Ursache der MS, man kann die verschiedenen Verlaufsformen nicht konkret diagnostizieren, man schwimmt total im Nebel.

Zeitgleich werden die dürftigen Therapien unverhältnismäßig angepriesen.

Verständlich dass die Betroffenen sich an jedem Strohhalm festhalten, der sich momentan bietet.

Verständlich ist auch das wir im Wissen dass es unweigerlich bergab gehen kann mitunter überreagieren und leider vergessen das wir im gleichen Boot sitzen.

Umso wichtiger ist es daher dass jede Meinung geäußert und diskutiert werden kann, ohne sich angegriffen, oder persönlich beleidigt zu fühlen.

Seien wir weiterhin kritisch.

Kritik ist keine Form von depressiver Verstimmung, Engstirnigkeit oder Therapiemüdigkeit, sondern ein Zeichen dafür dass man sich nicht aufgegeben hat.

LG von Lupo