Hallo @Spyke,
Ich teile gerne meine Erfahrungen und meine Geschichte, bin mir aber recht sicher, dass ich einfach nur Glück hatte und dass ich keinen Geheimtipp auf Lager habe …
Ich hatte mit 19 einen heftigen Schub (In Watte gepackt bis hoch unter den Brustansatz, Probleme beim Gehen (Müdigkeit und Koordinationsschwäche) außerdem motorische Ausfälle beim Greifen (ich kam nie da raus, wo ich hin wollte).
Das alles kam innerhalb von 24 Stunden und war daher wohl so offensichtlich, dass ich sehr schnell bei einem Neurologen gelandet bin und der mich umgehend ins Krankenhaus verfrachtet hat für weitere Diagnostik, d.h., MRT (damals noch schweineteuer, 10.000 DM), Lumbalpunktion, evozierte Potentiale, also das ganze Programm. Alles positiv. Es wurde zu diesem Zeitpunkt auch eine vernarbte Sehnerventzündung gefunden und man ging davon aus, dass die halbseitige Gesichtslähmung, die ich mit 16 hatte, wohl auch kein Kieferproblem, sondern schon ein Schub war.
Und damit hatte ich meine Diagnose. Der damalige Neurologe war der Meinung, wir warten erst mal ab, was sich von selbst tut und hat mir von Cortison abgeraten. Also hab ich erst mal abgewartet.
Dann kam noch das Lhermitte-Zeichen und eine Blasenentleerungsstörung dazu und Hände und Füße wurden ziemlich gefühllos.
Ich war damals fast am durchdrehen, aber der Neurologe war immer noch der Meinung, abwarten.
Also hab ich versucht, einfach irgendwie weiter zu machen. Ich steckte damals mitten im Abi und wollte danach eine Ausbildung machen.
Und das habe ich dann auch getan.
Ich hab mich damals auch eingelesen zum Thema Ernährung etc. (Total populär war damals die Evers-Diät), aber ich habe ehrlich gesagt nichts davon durchgehalten.
Im Laufe des ersten Jahres nach dem heftigen Schub wurden die Symptome langsam besser. Die motorische Seite (Greifen, Gehen) hat als erstes wieder funktioniert. Die Gefühlsstörungen schwanken bis heute (mal fast nichts, mal sehr ausgeprägt). Der Spaß mit der Blase ist geblieben.
In den Folgejahren hatte ich nur kleine Schübe (wieder neue Ausfälle im sensorischen Bereich und Gehstörungen). Aber auch da haben sich die motorischen Störungen wieder nach ungefähr einem halben Jahr gelegt, die sensorischen Störungen sind mehr oder weniger geblieben. Ich vermute, ich hatte noch viele weitere Störungen/Entzündungen, die ich gar nicht richtig bemerkt habe. Beim ersten MRT 1991 wurden damals 5 Läsionen im Kopf gefunden, heute sind wir bei über 50 (wobei die Auflösung heute auch besser ist). In HWS und BWS ist bis heute nichts sichtbar. Meiner Ansicht nach scheint mein Gehirn echt super darin zu sein, Ausfälle zu kompensieren. Ich kann mich echt nicht beschweren
Da ich meine Diagnose auch immer geheim gehalten habe (wollte kein Mitleid und mir auch beruflich nichts verbauen), konnte ich mich sowieso nicht groß anders verhalten als andere, das wäre evtl aufgefallen. Deswegen hat die MS für mich auch in meinen Gedanken nie viel Raum eingenommen. Ich hab sie, soweit es ging, ignoriert. Und nachdem ich motorisch immer nur kurzfristig ausgefallen bin, ging das meistens ganz gut.
Fazit: Ich habe nie wirklich meinen Lebenswandel geändert. Das einzige, was ich bewusst getan habe, ist, mir Pausen einzuräumen wenn ich gemerkt habe, mein Körper gibt Warnschüsse ab.
Ich bin also leider nicht als Vorlage für andere geeignet. Ich habe, was den Verlauf angeht, glaube ich nur Glück im Unglück gehabt.
Ach ja: Ich habe mal gelesen, dass man statistisch eine bessere Chance auf einen günstigen Verlauf hat, wenn es früh anfängt. Vielleicht falle ich ja in diese Statistik. Nachteil daran war halt, dass ich schon ein MS-Label hatte, bevor ich auch nur ansatzweise über Krankenversicherung, Berufunfähigkeitsversicherung oder ähnliches nachgedacht hatte. Das heißt, ich hatte keine Chance mehr, mir da irgendwas aufzubauen. Das war die ganzen Jahre über immer wieder ein Problem und jetzt mit einer Krebsdiagnose oben drauf ist es erst recht nicht ideal, dass ich nie vorsorgen konnte.
Aber wenn ich tauschen könnte (spätere Diagnose, schlechter Verlauf, dafür BU abgesichert etc.) würde ich es sicher nicht tun.