Hallo,

mein Neurologe hat mir eine Cortisontherapie (3 Tage Infusion) empfohlen, weil ich immer schlechter laufen kann und immer wieder Probleme mit meinem Gleichgewichtssinn habe.
Hat jemand von euch schon so eine Stosstherapie hinter sich?
Gab es Nebenwirkungen und hat sich danach eine Verbesserung eingestellt?
Ich habe etwas Angst und bin mir unsicher.
Es wäre schön, wenn mir jemand über seine Erfahrungen (hoffentlich positive) schreiben könnte.
Gruss
Popeline

Hallo Popeline,

darauf gibt es nur eine Antwort: “Kommt drauf an!”

Wahrscheinlich haben die meisten von uns im Lauf ihrer MS-Karriere schon eine oder mehrere Cortisonstoßtherapien, vor allem intravenöse, hinter sich gebracht, denn als Schubtherapie ist das Standard. Hast du eine solche Therapie noch nie bekommen? Auch nicht oral?

Zu Wirkung und Nebenwirkungen lassen sich keinerlei allgemeine Aussagen machen, denn es kommt ganz auf die verwendete Cortisonsorte an, auf die Dosis und Dauer der Therapie, und auf die Art und Ursache der therapierten Beschwerden. Z.B. zeigt die Praxiserfahrung, dass spinale Symptome nur schlecht auf i.v. oder oral verabreichtes Cortison ansprechen; dafür gibt es die intrathekale Verabreichung (in den Liquor).

Vor allem kommt es natürlich auf die Person an, die damit behandelt wird, ihren Verlauf, ihren Allgemeinzustand, ihre sonstigen Erkrankungen. Wie bei jeder Therapie gibt es Personen, die auf ein Medikament besonders gut ansprechen, aber genauso gibt es welche, bei denen es mehr unerwünschte Wirkungen hat als positive, und dann gibt es noch alle, die zwischen den beiden Extremen liegen. Zu welchen du gehörst, lässt sich kaum vorhersagen.

Wahrscheinlich würde es dich nicht viel weiter bringen, wenn ich schriebe, dass meine erste (und letzte) íntravenöse Cortisonstoßtherapie mit 4 Infusionen à 500 mg Solu-Decortin H (Prednisolon) mich fast auf die kardiologische Intensivstation gebracht hätte, weil ich davon eine Hypokaliämie und Tachykardie bekam. Das muss dir ja nicht auch passieren. Außerdem kann man dem auch vorbeugen.

Leider erlebe ich aber oft bei LeidensgenossInnen, dass ihre Neurologen vom Umgang mit Cortisonen kaum einen Schimmer haben (anders als z.B. Allergologen oder Rheumatologen), dass sie die Unterschiede zwischen den gebräuchlichen Cortisonen ignorieren und die Packungsbeilagen nicht lesen (ham wir nicht nötig, wir können’s so!). Standardaussage: “Für mich ist Cortison Cortison.” Das reicht für “Setzen, Sechs!”, denn Cortisone sind sehr verschieden!

Ich schreibe mir zu dem Thema “Cortisone und ihre Nebenwirkungen” in den verschiedenen MS-Foren schon jahrelang einen Wolf. Das meiste dazu findest du mit dem Suchbegriff “Dexamethason”.

Grundsätzlich würde ich raten, Cortisone vor allem bei akuten Entzündungen einzusetzen, d.h. wenn du seit ein paar Tagen neue Symptome hast, die vorher noch nicht da waren. Dann stoppt Cortison im besten Fall die Entzündung dadurch, dass es die Blut-Hirn-Schranke (durch das Protein Occludin) stabilisiert und das Eindringen weiterer Entzündungszellen ins ZNS verhindert.

Zwar gibt es bei progredienten Verläufen (bist du progredient?) auch die Möglichkeit, zur Verlangsamung vierteljährlich einen Cortisonstoß zu machen. Das hat mein Neuro mir auch schon vorgeschlagen; ich lehne es aber ab, da ich eine Anwärterin für Diabetes Typ 2 bin. (Mein HbA1c ist meist dicht dran).

Ich habe immer mal wieder auftretende altbekannte Symptome, die von den Dauerschäden verursacht werden, die die MS halt im Lauf der Jahre so mit sich bringt, z.B. Drehschwindelattacken. Mein Gleichgewicht ist durch eine Hirnstammläsion seit 2006 im Eimer, seither falle ich beim Romberg-Versuch um. Dauerschäden sind aber nichts, was durch Cortison besser würde, denn wenn eine Nervenzelle im ZNS mal untergegangen ist, bleibt sie auch kaputt.

Natürlich darf ein Immunsuppressivum wie Cortison nicht angewendet werden, wenn eine Entzündung besteht, denn die kann sich dadurch verschlimmern oder erst richtig ausbrechen. Wenn es gar nicht anders geht, muss die Cortisonbehandlung unter Antibiotikaschutz vorgenommen werden. Das gehört aber zu den Grundregeln im Umgang mit Cortisonen, und eigentlich müsste das jeder Medizinstudent im 1. Semester wissen (es sei denn, er hat das Studium verfehlt).

Vielleicht kannst du deinen Verlauf etwas genauer beschreiben, damit man dir einen Rat geben kann? Wie alt bist du, wie lang hast du schon MS, welchen Verlauf, wie hoch ist deine Entzündungsaktivität, wie wirst du therapiert? Soll der Cortisonstoß eine Schubtherapie sein oder eine symptomatische? Wenigstens das müsstest du etwas genauer beschreiben, sonst bist du wie jemand, der in eine Autowerkstatt kommt und sagt: “Guten Tag, mein Auto fährt so komisch!” - Wie???

Vielleicht meldest du dich ja nochmal?
Liebe Grüße und schönes WE!
Renate

Hallo Renate,

ich bin 51 Jahre und habe seit 6Jahre MS .Mehrere Schübe, wie Sehnerventzündung, taube Körperstellen und starke Probleme beim Laufen.
Seit 5 Jahren spritze ich mir Rebif, dass ich sehr gut vertrage und bin seit dieser Zeit auch schubfrei.
Seit ca. 1 Jahr fällt mir das Laufen immer schwerer. Mein Neurologe meint, dass es sein könnte,
dass ich keine Schübe mehr bekomme und mein Verlauf schleichend schlechter wird. Medikamente vetrage ich meistens sehr gut. Ich hoffe nun, das das Cortison die MS und ihre Folgen etwas aufhält und mir noch etwas Zeit lässt, da ich sehr gerne walke und Fahrrad fahre.
Gruss
Popeline

Hallo Popeline,
Ich bin chronisch progredient und bekomme Corti-Puls. Ich bekomme es 4x4x1g nach Corti geht es mir in der ersten Woche danach nicht total fit aber mit aufsteigender Tendenz. Danach fühle ich mich insgesamt stabiler.
Zur Zeit teste ich Fampyra. Vom Erfolg her kann ich noch nicht genau sagen was ich meinem Programm zu verdanken habe und was dem Fampyra. Ich habe seit letztes Jahr an einer Taiji-Studie teilgenommen und alle die mich undmeine Geschichtekennen sind begeistert.
Ich bin Mitte letzten Jahres auf meinen Walkingstöcken dahin geschlichen und jetzt Lauf ichwieder frei… :)))
Meine Physio meinte ich wär ganz schön flott… ;)))
Also ich denke Du kannst positive Effekte von Corti für Dich nutzen.
Seitdem ich Corti mit 1l NaCl bekomme habe ich keine Nebenwirkungen gehabt.
Mit Apfelschorle mit Cranberry-Muttersaft beuge ich Blasenproblemen vor.
Da ich Schlaftabletten nicht vertrage nehm ich Baldrian. So schaffe ich 6-7 Stunden…
Achtest Du auch a bissele auf Ernährung???
Liebe Grüße
Idefix

Hallo Popeline,

ach so, du bist auch so eine Spätberufene wie ich. Ich bekam die ersten auffälligen Symptome mit etwa 48, die Diagnose mit 50, nach zwei Jahren mit vielen Schüben, die mir bis zur Diagnose die Schwerbehinderung eingebracht haben. Seither spritze ich Betaferon, das ich sehr gut vertrage.

Ich bin auch schon lange progredient, aber da ich in der bisher einzigen Spritzpause prompt einen schweren Schub bekam, gehen wir davon aus, dass ich noch aufgesetzte Schübe hätte, wenn ich nicht spritzen würde. Im MRT sah man bei mir seit Jahren keine neuen Läsionen mehr, aber mein Radiologe hat nur ein 1,5-Tesla-MRT, in einem stärkeren war ich noch nicht, und wer weiß, was man da alles sehen würde.

Intermittierende Steroid-Pulse sind in der Tat eine Therapieoption bei progredienten Verläufen, um diese Progredienz zu verlangsamen. Ich vertrage zwar Prednisolon überhaupt nicht, bekomme davon eine Hypokaliämie mit Herzrasen, dafür vertrage ich aber sehr gut die Glucocorticoide ohne mineralocorticoide Nebenwirkungen, wie Beta- oder Dexamethason.

Mein Hausarzt und mein Neuro versorgen mich mit Dexamethason-Tabletten, da ich am AdW lebe, Single und nicht mehr mobil bin, und wenn ich einen Schub bekäme, nur unter größeren Schwierigkeiten einen von ihnen aufsuchen könnte. Ich war seit meinem Diagnose-Schub nicht mehr im KH, habe aber seither mehrere orale Cortisonstöße mit Dexamethason gemacht, durch die ich jedes Mal eine mehrere Wochen lang anhaltende Stabilisierung und sogar eine Verbesserung hatte. Es wirkt bei mir sozusagen wie ein “System Reset”, auch die Fatigue ist dann wochenlang wie weggeblasen.

Standarddosis bei der oralen Stoßtherapie mit Dexamethason sind 40 mg an fünf aufeinanderfolgenden Tagen. Ich brauche weniger und beginne am 1. Tag mit 24 mg, reduziere dann ja nach Befinden ab dem 2. oder 3. Tag in 8-mg-Schritten, bis ich am 5. Tag auf 8 mg bin. Dann ist Schluss, ausgeschlichen wird natürlich nicht. Begleitmedikation ist ein Protonenpumpeninhibitor. Kaliummangel bekomme ich von Dexa nicht, und Marcumar muss ich sowieso nehmen.

Allerdings bin ich Diabetes-Anwärterin (habe ich geerbt) und muss mit Glucocorticoiden sparsam umgehen, sonst macht mein Blutzucker Kapriolen. Wäre es nicht so, dann würde ich gerne alle 3 bis 4 Monate ein “System Reset” machen! Also, wenn du es gut verträgst, warum nicht? Mit den Begriffen “Intermittierende Kortikosteroidbehandlung bei chronisch progredientem Krankheitsverlauf” findest du weitere Informationen dazu.

Liebe Grüße
Renate

hallöchen!

also ich war fast schon 50 bei diagnosestellung…

zum cortison: intravenös vertrag ich es bislang ohne probleme. spritzen bewirken allerdings ein aufgedunsenes gesicht.

das war bei i.v. nicht der fall. auch ohne magenproblemen, die entspr. tabletten hab ich auf eigenes risiko nicht genommen und thrombosespritzen auch nicht - war ja nciht bettlägrig und hab mich bewegt!

ichhab allerdings die erfahrung gemacht, dass corti zumindest bei mir, bei sensistörungen erst nach langer zeit wirkt, und da bin ich mir nicht sicher, ob das dann wirklich ein verdienst der medikation war.

Hallo Idefix,
ich achte auf meine Ernährung. Ich esse wenig Fleisch, regelmäßig Fisch, ich esse täglich Obst,Gemüse und Vollkornprodukte. Da in meiner Familie Osteoporose ein Thema ist, nehme ich zusätzlich in den Herbst-, und Wintermonaten Vitamin D ein. Vor der Diagnose habe ich mir nicht soviele Gedanken um meine Ernährung gemacht. Die MS hat schon meine Eistellung zum Leben verändert. Ich mache mir viel mehr Gedanken um meine Gesundheit, um Dinge, die meinem Körper schaden könnten. Mein Neurologe sagt immer “alles in Maßen und sich nicht zu sehr verrückt machen”.
Gruss
Popeline

Hallo Loni,

" intravenös vertrag ich es bislang ohne probleme. spritzen bewirken allerdings ein aufgedunsenes gesicht. das war bei i.v. nicht der fall"

das lag, mit Verlaub, wahrscheinlich nicht an der Art der Verabreichung - denn die hat auf die Haupt- und Nebenwirkungen weniger Einfluss, als der Laie glaubt -, sondern an der verwendeten Cortisonsorte. Oft wird aus Kostengründen das billige Prednisolon verabreicht, das sehr starke mineralocorticoide Nebenwirkungen hat. D.h., es fördert die Kaliumausscheidung und die Natriumretention in den Nieren, was zu Herzrasen, Schwäche, Schwindel, Verstopfung und Wassereinlagerungen führt.

Viele Neuros kümmern sich leider nicht um die Unterschiede zwischen den Cortisonen (und viele MSsies leider auch nicht), sondern behandeln stur nach Schema MSTKG; vermutlich hast du i.v. ein anderes Cortison verabreicht bekommen als injiziert, und hast es deswegen unterschiedlcih vertragen. Wenn man dir Decortin H (Prednisolon) infundiert hätte und Dexamethason gespritzt, wäre es dir ziemlich sicher genau andersrum gegangen, und du würdest das Prednisolon zur Hölle wünschen.

Mich haben ein paar Behandlungsfehler bei meiner ersten und letzten Stoßtherapie fast auf die Intensivstation gebracht. Man betankte mich mit Prednisolon (Solu-Decortin H), ohne meinen Serumkaliumspiegel zu kontrollieren (wie es in der Fachinformation steht!) und mir ein Kaliumpräparat zu geben. Resultat nach 4 mal 500 mg Prednisolon: ein Ruhepuls von 220. (Ab 200 gilt als lebensgefährlich).

Als ich mich beschwerte (das konsternierte Gesicht des Chefarztes. als er mir den Puls fühlte, war sehenswert), wurde das Prednisolon abgesetzt, und ich mit Betablocker befüllt (statt mit Kalium). Nach dem Absetzen des Prednisolons bekam ich ab sofort keinen Magenschutz mehr, sodass ich durch die tagelange Nachwirkung auch noch eine Cortisongastritis bekam, die ich als Souvenir nach Hause nehmen durfte. Neurologen und Cortison - eine gefährliche Kombination! Ich kann nur allen MSlerInnen raten, sich zu informieren, damit sie kontrollieren können, was man ihnen verabreicht!

Mein Hausarzt versorgte mich dann mit Dexamethason für weitere Schübe; mein Neuro traute sich zuerst nicht an diesen Stoff dran. Er ist nicht alt genug, um sich noch daran zu erinnern, dass man Schübe vor der Optikusneuritis-Studie von Beck et al. mit Dexamethason oral behandelte (siehe hier http://www.gesundheit.uni-hamburg.de/upload/Schubtherapie_der_MultiplenSklerose.pdf auf S. 7), aber inzwischen hat er sich weitergebildet und verschreibt es mir auch. Ich hoffe, dieser Wissenszuwachs kommt auch noch ein paar anderen seiner nicht mal zwei Dutzend MSler zugute!

Zum Einlesen in das Thema “Cortisone mit und ohne mineralocorticoide Nebenwirkungen” ist das Folgende gut geeignet:
http://www.pta-forum.de/index.php?id=505

Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag!
Renate

Hallo loni

Was die Thromboseprophylaxe angeht, so ist diese sinnvoll weil das Cortison an sich die Blutgerinnung beeinflusst. Das hat mit bettlägerig oder mobil nichts zu tun.

Gruß Ataxia

10 Jahre später, ich dachte schon, Renate schreibt wieder.

Schade.

ja Sorry wenn man neu im Forum ist kann man erst dann was dazu schreiben wenn man es liest :wink: Ich sehe auch nur den Monat nicht das Jahr…

Immerhin dein 1. Beitrag zu einem noch
immer aktuellen Thema. Renate war wie eine
MS Weise, leider ist die weg.

Renates Oral-Methode mit Dexamethason war bei mir leider nicht erfolgreich. Habs 3x im Abstand von Jahren probiert.

Bei mir hat damals nur Urbason i.V. Puls etwas gebracht.
Lang, lang ists her…

Muss jeder in der Tat selbst testen.

Uwe

Aha, woher hast Du das?

Keine Ahnung. Ich bekomme seit über zehn Jahren meine Corti- Puls bei meinem Onko Doc. Er ist Hämatologe hat also voll Ahnung von Blut und Co….