Am vergangenen Donnerstag gab es wieder mal einen Online-Vortrag der Marianne-Strauß-Klinik (MSK), diesmal von Ingo Kleiter, dem ärztlichen Leiter der Klinik, einem der erfahrensten MS-Ärzte in Deutschland.

Es gibt etwa 8-9 mal pro Jahr solche Online-Vorträge der MSK. Das Niveau ist recht unterschiedlich. Diesmal war es ein “Hochkaräter”. Wir waren etwa 100-150 Online-Teilnehmer(innen). Den Vortrag findet man hier:

https://register.gotowebinar.com/recording/6509367666504334848

Man muss Vor- und Nachnamen angeben sowie eine Mail-Adresse. Dann kann man sich die Aufzeichnung anschauen. Eine Gesamtübersicht der Vorträge findet man hier:

https://www.ms-klinik.de/de/klinik/veranstaltungen.html

Ein Interview mit Herrn Kleiter, in dem er die MSK und ihr Konzept vorstellt, findet man z.B. hier:

Jetzt aber zum Vortrag und dem Thema selbst. Ich kann es hier erst mal nur anreissen. Gern kann ich bei entsprechenden Nachfragen mehr dazu erzählen.

Der Vortrag stand unter dem Titel “Gibt es unterschiedliche Verlaufsformen der MS? Warum MS als eine Krankheit angesehen wird und die Einteilung in schubförmig oder progredient nicht mehr zeitgemäß ist.” - und war schlicht und einfach revolutionär.

Herr Kleiter vertrat die Ansicht, dass inzwischen in der neurologischen Fachwelt die Überzeugung sich entwickelt habe, die Einteilung in RRMS, SPMS und PPMS sei überholt. Er verwies dabei mehrfach auf Gavin Giovannoni und sein Konzept der “smouldering MS”, also der MS als einer schwelenden Neuroinflammation, das dabei sei, sich als Erklärungsmuster durchzusetzen. Dementsprechend erwartet Herr Kleiter, dass in den nächsten Jahren die Leitlinien der MS sich grundlegend ändern werden und die verschiedenen Typen der MS künftig als eine Krankheit gesehen werden. Das würde natürlich auch den Zulassungsprozess von MS-Medikamenten komplett verändern, da bisher Studien und Zulassungen explizit für RRMS, SPMS und PPMS erfolgen.

Insbesondere sieht er in diesem Zusammenhang eine große Relevanz und Chance in den den sog. BTKI (Bruton-Tyrosin-Kinase-Inhibitoren), von denen derzeit einige in Phase-2- und Phase-3-Studien getestet werden. Hier rechnet er mit ersten Zulasungen bereits Ende 2025 / Anfang 2026.

Michael

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Ist das wirklich für alle ein neues Thema? Ich glaube zumindest nicht für diejenigen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dieser Frage ernsthaft beschäftigt hatten.

Es ist eigentlich hinlänglich bekannt, dass eine solche Unterscheidung Initial künstlich gemacht wurde, um die ersten klinischen Studien von Prof.Jacobs in Buffalo für die Zulassung von Betaseron in 1993 bei MS zu beschleunigen.

Die Zulassung basierte ja schließlich auf der nachgewiesenen Wirksamkeit in der Untergruppe: „Patienten mit schubförmigem Verlauf“, weil damals sonst keine machbaren primären Studienendpunkte möglich gewesen wären.

Alles was hinterher nunmal erfolgt ist, war eher ein „Reverse Engineering“ der Krankheit auf vorhandene oder in der Entwicklung befindliche Therapie Optionen.

Es wäre jedenfalls eigentlich die Aufgabe der nachfolgenden Forscher bzw der Patienten Organisationen, das Gesamtbild dieser Krankheit komplett wieder zusammen zu bringen und nicht nur irgendwie mit dem Finger auf Prof. G. zu zeigen als ob das dessen Hypothese sei, „die endlich mal validiert werden sollte“.

Wie dem auch sei, was würde so eine Zusammenlegung der Formen überhaupt mit sich bringen?

Zum einen wohl, dass in manchen Ländern endlich einfach nur von „Verlaufstherapien“ und nicht von „Therapien für XY aber nicht für Z“ geredet wird.

Inwiefern das den allgemeinen Zulassungsprozess an sich ändern würde, wäre wohl noch unklar. Es hat in den vergangenen Jahrzehnten keine nennenswerte Veränderung der primären Studien Endpunkte bei MS Zulassungsstudien gegeben und sowas wie NEDA-3 bei X+5 Jahren ist nach wie vor bei der aktuellen Pipeline unrealistisch.

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Ist das wirklich für alle ein neues Thema? Ich glaube zumindest nicht für diejenigen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dieser Frage ernsthaft beschäftigt hatten.

Sicherlich nicht für dich oder mich oder manche andere medizinisch informierte MS-Betroffene.

Aber dass das inzwischen im Mainstream der MS-Organisationen und ihrer Vertreter weltweit angekommen ist (oder dabei ist anzukommen): das hat mich schon überrascht. Im Nachgang habe ich einen ECTRIMS-Beitrag (kein Vortrags-Manuskript, sondern eine Veröffentlichung des ECTRIMS-Boards; Neurodegeneration in MS: A race against time | ECTRIMS) mit ähnlicher Ausrichtung gefunden, Äußerungen des UKE-Immunologen Manuel Friese (Leiter des Instituts für Neuroimmunologie und MS), natürlich von Gavin Giovannoni und weiteren, die auch alle in diese Richtung gehen.

Unabhängig davon, was ich persönlich meine, finde ich das schon zumindest “sehr beachtenswert”, wenn auf breiter Basis ein Umdenken im Gang ist. Und es geht ja nicht nur um die Frage “1 Krankheit oder mehrere Krankheiten”, sondern auch um das dahinterliegende geänderte Verständnis (Stichwort z.B. “smouldering MS” - ohne jetzt im Detail zu versuchen, aktuell noch gültige Lehrmeinung und mögliche künftige offizielle Lehrmeinung gegeneinander abzugrenzen).

Michael

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