Hier ist eine Übersicht über MS-Arzneimittel der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen:

AG+Arzneimittel_+Therapie+der+Multiplen+Sklerose-p-1881.pdf (kvn.de)

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Herzlichen Dank für die MS-Übersicht.

Kurze Frage zu der Tabelle: Wie ist die Spalte “Beschluss der Nutzenbewertung (G-BA)” zu verstehen. Im Grunde steht ja bei den meisten “Zusatznutzen nicht belegt”. Was versteht man hier unter “Zusatznutzen”? Bzw. was sagt diese “Nutzenbewertung” überhaupt aus?
Schon mal Danke für eine Antwort (bin hier noch recht frisch) :slight_smile:

Ich weiß auch nicht genau, wie dieser Zusatznutzen bestimmt wird.
Bei der KBV heißt es dazu:

‘In Deutschland sind pharmazeutische Unternehmer nach § 35a SGB V verpflichtet, bei der Markteinführung eines neuen Arzneimittels zu belegen, ob und in welchem Ausmaß ihr Medikament einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie hat.’
KBV - Hintergrundinformationen

In den Zulassungsstudien muss wohl die Wirkung des betreffenden Arzneimittels mit einer schon zugelassenen Therapie verglichen werden. Mit was genau verglichen wird, müsste man wahrscheinlich in den jeweiligen Studien nachlesen.

Mir ist auch nicht klar, was für die Krankenkassen ein ‘Zusatznutzen’ ist, ob das nur die bessere statistische Wirksamkeit über einen bestimmten Zeitraum ist. Für den Patienten spielt ja auch die Art der Verabreichung, mögliche Nebenwirkungen etc. eine Rolle.

Wenn ein Medikament angeblich keinen Zusatznutzen gegenüber einer billigeren Therapie, zumindest für bestimmte Patientengruppen hat, frage ich mich, warum es dann zugelassen und von den Krankenkassen bezahlt wird.

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Ich glaube, da werden verschiedene Vergleichsaktivitäten vemischt. Es gibt erstmal Metaanalysen und vergleichende Studien, die generell die relative Wirkung von Therapien einstufen können.

Dann gibt es Studien, die eine relative Wirkung von Therapien belegen im Hinblick auf eine Zulassung.

Und dann gibt es “Belege für einen Zusatznutzen” für Preisverhandlungen mit dem BGA. Dieser Beleg ist relevant für die Preisfindung. Denn erst wenn man zeigen kann, daß das neue Produkt besser wirkt als ein bereits zugelassendes, kann man preislich mehr dafür verlangen. Offensichtlich machen nur wenige Hersteller sich die Mühe, hierfür spezielle Studien innerhalb der Frist einzureichen da sonst andere administrative Prozesse zur Preisfindung greifen:

So läuft die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln ab:

Die Nutzenbewertung ist innerhalb von drei Monaten nach Markteinführung eines neuen Arzneimittels oder Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes zu veröffentlichen.

Anschließend hat der Gemeinsame Bundesausschuss drei Monate Zeit, um unter Berücksichtigung der im Rahmen des durchzuführenden Stellungnahmeverfahrens vorgebrachten Argumente über die Nutzenbewertung zu entscheiden.

Seinem Beschluss schließen sich Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer über den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel an.

Sollten diese Verhandlungen nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein, werden der Erstattungsbetrag und weitere Inhalte der Erstattungsvereinbarung innerhalb von drei Monaten durch eine Schiedsstelle festgelegt.

Will heißen, auch ohne Vorlage einer vergleichenden Nutzenbewertung kommen die Herstelller letzendlich an die erwarteten Einnahmen. Wozu noch etwas später nachrreichen. Das Problem ist also wohl der Prozess, nicht die Motive der Hersteller.

Wie dem auch sei, neulich hat eine Publikation von einem sogennanten “Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit” hier auch einiges durcheinander geworfen. Da steht:

Für den Vergleich der Umstellung von einer Basistherapie auf eine Eskalationstherapie oder auf eine andere Basistherapie liegen aussagekräftige Daten nur aus einer Studie zu einem der zehn Wirkstoffe vor

Es wird anscheinend also irgendeine Matrix aus vergleichenden Studien zu den 13 zugelassenen Therapien erwartet ohne mal vernünftige Vorschläge zu machen, wie diese 100+ Studien finanziert werden sollten bzw. ethische Fragen anzusprechen, wie man Patienten, die eigentlich eine Therapieeskallation benötigten, in eine Basistherapiegruppe einteilt, nur um Vergleichswerte zu produzieren. Stattdessen gibt’s die üblichen “sollte, müsste, hätte” Vorwürfe Richtung Aufsichtsbehörden und Industrie.

Danke :kissing_heart::kissing_heart::kissing_heart: Dir so kann man sich schnell informieren…

Danke.

Ich hatte mir die Hintergrundinformationen zum Zusatznutzen durchgelesen, weiß jetzt, wie das innerhalb welcher Zeiträume nachgewiesen werden soll, aber was das genau bedeutet, weiß ich immer noch nicht.

Gibt es denn definierte Kriterien für einen Zusatznutzen? Die müsste es doch eigentlich geben um etwas vergleichen und einen Zusatznutzen feststellen zu können?

So sehe ich in der Medikamenten-Tabelle überall kein oder geringer Zusatznutzen und assoziiere das irgendwie mit ‘bringt nichts’.
Von Kritikern medikamentöser MS-Therapien wird dann ja auch angeführt, sie hätten keinen erwiesenen Zusatznutzen.

Dabei sehe ich an mir selbst und aus Berichten anderer, dass MS-Medikamente durchaus etwas nützen können. Was ich anstelle meines teuren Medikaments preisgünstigeres mit dem gleichen Nutzen nehmen könnte, weiß ich nicht. Bei den Verschreibungen der Neurologen scheint das ja auch keine Rolle zu spielen.

Im Zusammenhang mit dem jetzigen Mangel an Asthmaspray und anderen Basismedikamenten lese ich heute in der HAZ ein Interview mit Prof. Roland Seifert, Leiter des Instituts für Pharmakologie an der MHH.
Er sagt, neuartige Tumormedikamente werden zuverlässiger produziert, weil man damit Geld verdienen kann.

‘Bei etlichen dieser Präparate aber gibt es keinen in klinischen Studien nachgewiesenen überzeugenden Effekt; vom für die Zulassung in Deutschland zuständigen Bundesausschuss (G-BA) als “Zusatznutzen” bezeichnet. Medikamente für seltene Erkrankungen werden leichter und unbürokratischer zugelassen - eben häufiger auch ohne eindeutige wissenschaftliche Evidenz. Das halte ich für problematisch. …’

Das alles trifft ja auch für MS-Medikamente zu.

Hier findet man Kategorien für die Bewertung eines Zusatznutzens:

Ergebnisse der Nutzenbewertung – Kategorien des Zusatznutzens - Gemeinsamer Bundesausschuss (g-ba.de)

Ein geringer Zusatznutzen, der in der KVN-Tabelle immerhin für einige der MS-Medikamente angegeben wird, bedeutet:

'geringer Zusatznutzen
bisher nicht erreichte moderate und nicht nur geringfügige Verbesserung des therapierelevanten Nutzens

  • Verringerung von nicht schwerwiegenden Symptomen
  • relevante Vermeidung von Nebenwirkungen’

Dass das für die Betroffenen wirklich nur ein ‘geringer’ Zusatznutzen ist, bezweifle ich.