Steile These, aber ist es möglich, durch Corona indirekt an MS zu erkranken? :thinking:

Anfang 2022 hatte ich Corona. Der, der mich infizierte, ist mir mit absoluter Sicherheit bekannt. Da besteht überhaupt kein Zweifel. Den traf ich nun diese Woche wieder. Er erzählte, er hatte damals knapp zwei Wochen nach Covid Pfeifferrisches Drüsenfieber. Das wird vom (reaktivierten) Epstein-Barr-Virus ausgelöst. Dass Corona EBV reaktivieren kann, ist Stand der Wissenschaft. Viele Long Covid-Fälle werden auch mit reaktivierem EBV in Verbindung gebracht.

Nun frage ich mich: Hatte ich durch Corona ebenfalls eine EBV-Reaktivierung? Hat diese Reaktivierung möglicherweise meine MS ausgelöst? Was meint ihr? Denkbar oder nicht?

Ich hatte rund 10 Jahre vor meiner Diagnose Pfeiffersches Drüsenfieber, allerdings ist das eine frische Infektion gewesen, keine Reaktivierung. Drei Wochen lag ich flach und EBV wurde auch bestätigt. MS braucht ja schon länger, um zum Vorschein zu kommen. Im Moment warte ich noch auf einen großen Gen Test, da wird aber vermutlich auch rauskommen, dass ich für MS genetisch prädisponiert bin ( müsste es ja). Mir geht es aber nicht darum, ich möchte mein Risiko für bestimmte Krebserkrankungen wissen.
Normalerweise besteht MS bereits einige Jahre vor der eigentlichen Diagnose - es gibt bereits Entmarkungsherde, oft komplett symptomlos. Daher hast du es wahrscheinlich deutlich länger, als du denkst.
Ansonsten ist der Zusammenhang EBV Infektion ( es gibt unterschiedliche Varianten davon) plus genetische Prädisposition durchaus eine Hypothese. Klare Beweise dafür, dass das wirklich so ist gibt es bisher nur indirekt, man kann dazu viel recherchieren.

die massiven EInschränkungen kamen bei mir mit der Coronaerkrankung 2022. Allerdings bin ich und meine Frau sicher, dass MS auch schon davor bestand, nur so, dass man kaum etwas merkte. Der Neurologe denkt auch, dass die Zehenbrüche und Stolperer vor Corona die ersten Anzeichen waren. Sprich, Corona war starker Trigger, um die Erkrankung zum Vorschein treten zu lassen.

Zu EBV und MS wurde und wird sehr viel publiziert, hier ein interessanter Artikel
https://www.pnas.org/doi/abs/10.1073/pnas.2315857121

Dass ich die MS nicht erst seit kurz vor meiner Diagnose vor drei Monaten habe, ist mir klar. Angenommen eine EBV-Reaktivierung wäre der letzte Auslöser für die Entstehung meiner MS gewesen, läge die C-Infektion / EBV-Reaktivierung 1,5 Jahre vor meiner Diagnose. Das wäre zeitlich im Rahmen der Möglichkeiten. Dass eine MS innerhalb von 1,5 Jahren entdeckt wird, gibt es. Natürlich kann ich die MS aber auch bereits noch länger haben, niemand weiß das.

Nicht mehr aktive, symptomlose Entmarkungsherde wurden bei Diagnose gefunden. Ich fragte die Ärzte der neurologischen Abteilung im Krankenhaus, wie lange meine MS schon existent sei. Das könne man nicht sicher sagen, meinten sie, betonten aber, dass meine Läsionen bisher nur sehr klein seien (1 mm und kleiner). Dass ich vor meiner SNE nie Symptome hatte ist ungewöhnlich, was auch für eine Erkennung in frühem MS-Stadium spricht. Andere haben ja oft schon Jahre vor dem ersten Schub Symptome, bei mir war der erste Schub das erste Symptom. Dafür war meine SNE atypisch mild, wäre deshalb beinahe übersehen worden, sowohl von der Augenärztin, als auch von den Neurologen im Krankenhaus.

Das EBV-Virus als eine MS-Ursache ist unbewiesene Hypothese. Das gilt aber ja für alle Ursachenannahmen. Selbst die genetische Disposition ist afaik in letzter Instanz unbelegt, gilt lediglich vielen als (nahezu) sicher. Ein deutliches Indiz für eine EBV-Beteiligung ist die EBV-Inzidenz unter MS-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung. Die liegt bei MS-Patienten bei nahezu 100 % oder 100 % (je nach Quelle). In der Normalbevölkerung bei 90 - 98 %, zumeist werden 95 % angegeben. Das ist allerdings altersabhängig, was meist nicht mit erwähnt wird. Unter 30 Jahren liegt die Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung auch deutlich unter 90 %. Je jünger die betrachtete Bevölkerungsgruppe ist, je niedriger die EBV-Inzidenz. MS tritt zumeist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. In dieser Gruppe wiederum am häufigsten zwischen 20 und 30 Jahren. Trotzdem haben auch 100 % oder nahezu 100 % aller MS-Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr EBV. Das ist schon ein ziemlich deutliches Indiz für eine EBV-Beteiligung.

Ein weiterer Verdacht, der mir in meinem Fall als (letzter) Auslöser vorschwebt, ist eine Borrelieninfektion vor 3 Jahren. Zu Borrelien gibt es auch die Theorie, dass sie MS auslösen könnten. Nicht ganz unbegründet.

Außerdem könnte ich auch eine späte bzw. chronische Neuroborreliose haben, also gar kein MS. Die chronische Neuroborreliose kann im MRT exakt wie MS aussehen, der Liquor ist ebenfalls entsprechend positiv auf Spuren von aktiver Demyelinisierung und eine Unterscheidung zur MS ist fast nicht möglich. Ein Unterschied: Bei chronischer Neuroborreliose hat man keine Entmarkungsherde in der Wirbelsäule, ausschließlich im Gehirn. Das ist bei meiner MS der Fall. Nur mit seltenen Spezialuntersuchungen, die üblicherweise gar nicht durchgeführt werden und die viele Neurologen gar nicht auf dem Schirm haben, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur MS abzugrenzen. Die chronische Neuroborreliose ist nicht zu verwechseln mit der klassischen Neuroborreliose und hat im Vorfeld auch nicht die schmerzhaften Symptome einer Neuroborreliose. Daher wird sie leicht übersehen und später für MS gehalten. Entmarkungsherde im Gehirn, die irgendwann zu MS-typischen Symptomen einschließlich SNE führen sind typische Zeichen dieser seltenen Form der Neuroborreliose. Wer so etwas hat, braucht eigentlich Antibiotika. MS-Medikamente können dann sogar kontraproduktiv sein. Interessanterweise berichten manche MS-Patienten von einer Besserung ihrer Beschwerden unter Antibiotika. Mein Plan ist nun, auf chronische Neuroborreliose zu untersuchen lassen. Aber das wird ein langer Kampf. Was ich so gelesen habe, wird das Thema von vielen Neurologen gar nicht ernstgenommen und oftmals direkt abgewunken, wenn man das checken lassen möchte…

Ich habe meine ersten Symptome auch erst drei Jahre vor meiner eigentlichen Diagnose und dem großen Schub gehabt. Davor gar Nichts. Auf Borreliose wurde ich getestet im Krankenhaus, auch auf HIV und Syphilis - das ist typisch, dass man darauf testet um es auszuschließen. Und da war alles negativ. Das mit der chronischen Neuroborreliose ist eine steile These - wie ist das mit den oligoklonalen Banden?

Würde mich nicht wundern, wenn da was dran ist. Da gilt es noch viel zu erforschen. Kenne jemanden mit einer seltenen Form von Leukämie. Die Krankheit war jahrelang quasi ruhend, verlief wie eine waagrechte Linie. Es fanden regelmäßige Kontrollen im Abstand von 6 Monaten statt, Einsatz von Medikamenten unnötig. Seit Anfang November 2023 schießen nun bestimmte Werte plötzlich durch die Decke, was aber jetzt erst diese Woche herauskam. Ich weiß nicht, wie die Ärzte es machen, aber sie sind offenbar mit ihren Untersuchungen in der Lage dazu zurückzuverfolgen, seit wann dieses Ereignis stattfindet. Die Leukozyten sind im aktuellen Blutbild um’s 10-fache über Normal, wie aus dem Nichts. Die Person liegt nun im Krankenhaus, seit drei Tagen stärkste Chemotherapie. Aus der waagrechten Linie im Krankheitsverlauf wurde eine steil nach oben gehende, beinahe senkrechte Linie. So wurde es von den Ärzten skizziert und sie meinten, für diese akute, plötzliche Verschlechterung muss es einen konkreten Auslöser geben. Im Leben der Person hatte sich nichts geändert, nur hatte sie Ende Oktober 2023 Covid…

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Bei mir wurde das auch alles getestet. Ich bin positiv auf Borrelien. Mit diesen einfachen Tests lässt sich eine chronische Neuroborreliose aber eben nicht ausschließen, das ist viel komplizierter und selbst dann ist eine Abgrenzung zur MS nur schwer möglich. Ein positiver Titer auf Borrelien ist normal, den haben viele. Daher haben auch viele MS und Borrelien. Manche haben aber auch chronische Neuroborreliose und die Fehldiagnose MS. Das kommt oft erst nach Jahren falscher Behandlung heraus.

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Ich habe leider alles negativ, also keine Borrelien. Das wär ja schön, wenn das Borreliose wäre, weil das eine Chance auf Heilung bietet…
Habe kurz recherchiert und etwas gefunden: Abgrenzung der Neuroborreliose zur Multiplen Sklerose | Martina Lorenz.
Am Ende stehen hier einige Symptome aufgelistet, die ich alle nicht habe. Ich denke schon, dass meine MS Diagnostiziert leider richtig ist.

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Es ist schon so, dass manche eben keine Herde in der Wirbelsäule haben (oder nicht gleich haben). Ich glaube auch kaum, dass die Abgrenzung so schwer sein sollte. MS Entmarkungsherde sind sehr spezifisch (Lage), oligoklonale Banden im Liquor auch. Ich verstehe sehr gut, dass man dann irgendwann an der Diagnose zweifelt und etwas harmloseres haben möchte, aber ich denke das ist mehr oder weniger ein Wunschdenken. Zumal eine Neuroborreliose von den Symptomen her sich ganz anders äußert! Aber falls du es überprüfen solltest, ich bin gespannt auf die Ergebnisse. Dann dürfte allerdings eine B-Zell depletion kontraproduktiv sein.

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Ich glaube nicht, dass es so eindeutig ist. Habe mich zu dem Thema ausgiebigst belesen, weil bei mir auch eine Neuroborreliose im Raum steht. Die genannten Symptome können auftreten bei NB-Patienten, müssen es aber nicht. Eine vollkommen sichere Abgrenzung zu MS ist, wie Cosmo schreibt, extrem schwierig, und ganz viele Neurologen haben kaum Wissen über dieses Krankheitsbild.

Gut, aber eine Neuroborreliose sollte ja auf Antibiotika ansprechen. Außerdem kann man auch zwei Krankheiten gleichzeitig haben. Dieses Thema Neuroborreliose - MS wurde schon oft diskutiert, meist auch mit solchen Aussagen wie, dass man es ja gar nicht unterscheiden könnte etc. pp. Man kann sogar hier einige Themen dazu finden, vor 10-15 Jahren gab es diese schon. Und das ist meistens einfach unwahr - es sind unterschiedliche Erkrankungen und sehr wohl feststellbar. Geschweige denn, dass die MS Herde sehr spezifische Stellen haben.

Das stimmt so nicht. Exemplarisch hierzu ein Artikel aus dem Ärzteblatt, in dem es z.B. heißt:

“So weist die Neuroborreliose im zerebralen Befallsmuster häufig große Ähnlichkeiten mit der MS auf.”
https://www.aerzteblatt.de/archiv/48816/Neue-Erkenntnisse-zur-Pathogenese-der-multiplen-Sklerose-Potenzial-fuer-die-Erweiterung-der-therapeutischen-Optionen-Multiple-Sklerose-eine-Zeckenbisserkrankung

Ich sage nicht, dass man nicht beide Krankheiten haben kann. Das ist eine Möglichkeit; ebenso wie jene, dass bei manchen die Borrelien den Ausbruch der MS triggern könnten. Da gibt es alle möglichen Konstellationen.
Aber die Abgrenzung zwischen MS und NB ist und bleibt schwierig. Und es sprechen auch durchaus nicht alle NB-Patienten nachhaltig auf Antibiotika an. Insbesondere bei langem Verlauf scheint es manchmal schwierig zu sein. Gibt ein Borreliose-Forum, in dem (natürlich anekdotisch) darüber viel geschrieben wird.

Letztlich muss halt jeder, der beide Diagnosen hat und sich unsicher ist, selbst wissen, ob er den Ärzte-Marathon auf sich nehmen will, der eine sichere Abgrenzung versprechen könnte. Oder ob er der Expertise der bisherigen Ärzte vertraut. Ich persönlich habe mich momentan für Option 2 entschieden.

Verstehe… Für mich wäre das Aufbauen von einer Hoffnung, da Borreliose heilbar und MS nicht. Dummerweise habe ich keine Borreliose, auch nie gehabt. Da erübrigt sich das Ganze.

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