Hallo Maike,
ich spritze seit 8 Jahren Betaferon. Betaferon und Extavia sind der identische Stoff - Interferon-beta 1b - vom selben Hersteller aus denselben Labors (Boehringer in Biberach), und da ich ohnehin keine Injektoren benütze, ist mir auch das Zubehör schnurz, das bei Betaferon etwas aufwändiger sein soll. Angeblich sind auch die Kanülen beim Extavia nicht ganz so dünn. Eine 30 G-Kanüle ist wirklich haarfein und in der Tat fast gar nicht mehr zu spüren. Für mich schon ein technisches Wunderwerk. Bei 27 G muss man schon etwas kräftiger zustechen.
Ansonsten ist der Unterschied zwischen den Interferonen durchaus erheblich! Avonex wird einmal pro Woche i.m. gespritzt, und hat daher starke Nebenwirkungen, die oft über die gesamte Behandlungsdauer anhalten, schont allerdings die Haut. Da es nicht so wirksam ist wie die Hochdosisinterferone, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis wegen Unverträglichkeit und nicht ausreichender Wirksamkeit von Avonex auf Tys eskaliert wird. Na klar, es ist ja beides von Biogen.
Rebif ist, wie Avonex, Interferon-beta 1a, wird aber s.c. gespritzt. Es gibt zwei Stärken, die Einsteigerdosis 22 µg, und die Standarddosis 44 µg. Rebif 44 gilt als das wirkstärkste der Beta-Interferone. Mit Rebif 44 etwa vergleichbar in der Stärke sind Betaferon/Extavia.
Rebif ist in Fertigspritzen, was zwar bequemer ist, aber auch mit höheren Unverträglichkeitsrisiken verbunden, da die Fertigspritzen auch Zusätze (Schaumhemmer, Konservierungsmittel) enthalten müssen, die in Betaferon/Extavia nicht nötig sind. Also, ich möchte mir eigentlich kein Poloxamer 188 (einen Schaumhemmer) spritzen, ich bin gegen Tod und Teufel allergisch und die Zusätze in Rebif sind mir nicht geheuer.
Allerdings gibt es für die Smartphone-Generation einen elektronischen Injektor, den “Rebismart”. Ich weiß nicht, was das Ding alles kann, aber den Smartphone-Fans gefällt es. Da ich nicht mal ein normales Handy besitze, und auch keinen schnurlosen Festnetzapparat, bräuchte ich wohl auch keinen Rebismart.
Copaxone habe ich abgelehnt, da ich Allergikerin bin und Cop nach dem Prinzip der “Desensibilisierung” funktionieren soll. Es ist nach dem Zufallsprinzip aus vier Aminosäuren zusammengesetzt, sodass jede einzelne Charge im Tierversuch auf Wirksamkeit getestet werden muss.
Die Zusammensetzung dieser Aminosäuren soll die MS-Antigene (das MOG - Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein - und das MBP - Myelin-Basisches Protein) nachahmen und das Immunsystem gegen diese Myelinproteine quasi desensibilisieren.
Eine Desensibilisierung habe ich vor 40 Jahren beim Allergologen gemacht; sie hatte den Effekt, dass meine Allergien, die vorher nur beim Prick-Test aufgetreten waren, von da an wirklich heftig wurden und ich seither auf Antihistamine und Cortisone angewiesen bin. Ich gehöre zu den Allergikern, deren Allergien sich nach dem ersten Kontakt mit dem Allergen erst entwickeln.
Der klassische Beispielfall dafür ist die Muschel-Pizza beim Italiener: beim ersten Mal mundet sie köstlich und verursacht keinerlei Beschwerden - beim zweiten Mal kommt es zu einer Anaphylaxie und der Notarzt muss gerufen werden. So war es bei meinem Vater mal im Italienurlaub. Und bei mir ging die Desensibilisierung nach hinten los. Daher lasse ich von Cop lieber die Finger (von Muscheln übrigens auch).
So blieb für mich nur Betaferon (dessen Zwilling Extavia gab es damals noch nicht). Dafür hatte ich mich aus diesen Gründen schon vor der Diagnose entschieden, und als sie feststand, sagte ich gleich, dass ich Betaferon nehme. Punkt. Es gab keine Diskussionen, zwei Tage danach setzte ich mir die erste Spritze. Inzwischen müssen es etwa 1400 gewesen sein.
Ich habe mich auch deswegen dafür entschieden, weil ich aufgrund meines Alters bei der Diagnose (50) annahm, dass ich schon SPMS habe, und Betaferon hatte schon damals auch eine Zulassung für SPMS. (Wenn ich mich nicht irre, hat Rebif 44 sie inzwischen auch.)
Als ich im April 2005 mit Betaferon anfing, wurde ich von der Schering-Spritzschwester vor den Grippenebenwirkungen gewarnt, und bekam einen ellenlangen Einschleichplan, mit dem ich so etwa sechs Wochen bis zur Zieldosis 250 µg gebraucht hätte.
Der Klinikarzt, der mir die erste Monatspackung Beta aufschrieb, verschrieb mir dazu auch eine N3-Packung (100 Tbl.) Ibuprofen 400. Ich sollte vor jeder Spritze eine nehmen, vergaß aber schon die vierte, und bekam trotzdem keine Nebenwirkungen. Also nahm ich das Ibu von da an nur noch sporadisch, wenn ich mal wirklich Kopfschmerzen bekam, was etwa 1-2-mal im Monat vorkommt.
Die Einschleicherei war mir zu doof, ich hätte jeden zweiten Tag nachschlagen müssen, welche Dosis gerade dran ist. Ich kürzte das Verfahren kurzerhand ab und war nach vier, fünf Spritzen bei 250 µg angekommen. Nach ein paar Wochen war es mir auch zu doof, jedes Mal 0,2 ml von dem teuren Stoff wegzuwerfen, die sogenannte “kalkulierte Überfüllung”. Seither spritze ich die vollen 300 µg.
Irgendwo las ich mal, die “kalkulierte Überfüllung” von 0,2 ml sei für diejenigen Anwender gedacht, die es nicht fertig bringen, das Zeug ohne Schaumbildung anzumischen; die bräuchten diese Reserve, um auf 1 ml spritzbare Flüssigkeit zu kommen.
Naja, ist immer noch besser als der Schaumhemmer im Rebif. Ich schaffe es aber, es ohne Schaum anzumischen. Es ist wirklich nicht schwierig! Lieber anmischen, als Schaumhemmer und Konservierungsmittel in den Rebif-Fertigspritzen.
Grippenebenwirkungen durchs Interferon habe ich wirklich nur gelegentlich. Da ich Marcumarpatientin bin, kann ich ohnehin nur ab und zu mal eine Ibu schlucken, da NSAR bei mir thrombozytenaggregationshemmend wirken (gerinnungshemmend), und das zusammen mit Marcumar ist problematisch; ich mag nicht alle paar Tage zum Blut-Abnehmen zwecks INR-Kontrolle und Marcumar-Einstellung, wenn meine INR Bocksprünge macht.
Auf Tecfidera umsteigen dürfte ich wohl schon, wenn es mal lieferbar ist. Mein Neuro verschreibt mir, was ich ihm sage, und hat dafür in mir eine “pflegeleichte” Patientin. Ich habe zwar auch eine leichte Psoriasis - aber die falsche, eine, bei der Fumarsäure nicht hilft (Ps. pustulosa). Und ich bin kein Fan von Experimenten. Also werde ich wohl bei den ganzen altbewährten Sachen bleiben und mich an die Warnung “Never change a winning team” halten.
Liebe Grüße
Renate