Hallo zusammen,

nach langer Zeit schreibe ich hier auch mal wieder.

Mich würde interessieren, wieviel Hilfe ihr mittlerweile von anderen Personen benötigt und wobei.
Wie geht ihr damit um und von wem bekommt ihr die Hilfe.

Wenn ihr recht körpernahe Unterstützung, z.B. beim Anziehen bekommt, wie geht ihr damit um und wie lange habt ihr zum Akzeptieren gebraucht?

Um von mir zu sprechen: Ich bin seit einem Jahr komplett auf den Rollstuhl angewiesen. Nach einer Coronainfektion im letzten November schaffe ich den Transfer zwischen Stuhl, Toilette, Bett, Auto, nicht mehr mit Stehen und kleinen Schrittchen, sondern benötige einen Lifter und meinen Mann. Ins Auto komme ich mit einem Rutschbrett und der Hilfe von meinem Mann.
Er hilft mir beim Anziehen von Hose und Schuhe und beim Zubettgehen und Austehen.

Ich finde das Ganze jetzt mittlerweile sehr beklemmend und hoffe, dass ich es irgendwann als normal hinnehmen kann. Noch ist die Zeit erst ein 3/4 Jahr, seitdem ich das machen muss. Ich hoffe, jemand kann mir sagen, die Zeit heilt meine seelischen Wunden :woman_in_lotus_position:

LG Bay

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Hallo Bay

vor 6 Jahren war ich in der sehr ähnlichen Situation wie du heute.

Damals war der Reha-Aufenthalt in einer Klinik für Para- und Tetraplegiker meine Rettung. Denn dort lernte ich zu akzeptieren, dass ich nur noch mit fremder Hilfe Stuhlgang haben kann und dass ich mich nur noch mit fremder Hilfe waschen und anziehen kann. Als ich realisierte, dass es allen anderen sehr ähnlich wie mir ergeht, da wurden meine Probleme auf einmal viel “kleiner”.
Nebenbei wurde auch mein Rollstuhl richtig angepasst und es wurden die nötigen Hilfsmittel für meine Wohnumgebung organisiert. Und ganz wichtig, der Sozialdienst sagte klipp und klar, meine Körperpflege sei nicht die Aufgabe von meiner Frau und so organisierten wir während der Reha eine ambulante Spitex, die bis heute jeden Morgen für knapp zwei Stunden zu uns kommt.

Damals in 2017 hätte ich nie geglaubt, dass ich so etwas je zulassen würde - fremde Menschen räumen mich aus und waschen mich. Und heute bin ich froh, dass ich über meinen Schatten gesprungen bin, denn so kann ich doch noch ein bisschen am Leben teilnehmen.

Ich glaube auch, dass meine Frau und ich ohne die ambulante Pflege nicht mehr zusammen wären. Und dann wäre ich jetzt im Pflegeheim, zwischen all den Dementen, denn hier in CH geht eigentlich keiner mehr ins Alters- und Pflegeheim, solange es noch irgendwie zu Hause geht.

Ich kann nur raten Hilfe von aussen anzunehmen, sei es in Form von Beratung oder in Form von Pflegedienst.

Das zweite grosse Thema für mich war meiner Frau Freiheiten zu zugestehen, die man in einer gängigen Partnerschaft nicht unbedingt sehen will. Da habe ich heute noch manchmal Mühe, aber schliesslich bin ich behindert und nicht sie und deswegen braucht sie nicht die ganze Zeit an meiner Seite mit mir verbringen.

Manchmal muss man der Partnerin Flügel geben, damit sie bei einem bleibt…

LG
MO

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Hallo Mo,

vielen Dank für deine persönliche Antwort.

Ich bin vor einem viertel Jahr dazu übergegangen, mich mehr mit den Bewältigungsstrategien, was die Motorik angeht, von Querschnittlern zu beschäftigen. Die schaffen es doch auch, dann ist es doch irgndwie machbar und sollen mir als Vorbild dienen.

Wie oft mir in letzter Zeit schon die Luft ausgegangen ist und der Frust, die Wehmut und Trauer um Vergangenes hochkommt. Gelacht habe ich früher oft und viel, aber Gründe dafür finde ich zur Zeit keine.

Sorge um meine Beziehung habe ich große. Wir waren oft am lachen und es war leicht, zusammen zu leben. Jetzt ist das anders. Die Veränderungen im letzten 3/4 Jahr haben mir einen dicken Schlag verpasst. Nicht mehr alleine irgendwo mit dem Auto hin, geschweige denn “einfach” selbständig aus dem Auto aussteigen …
Sonst hab ich mir die Hosen selbst hochgezogen … jetzt hänge ich in dem Lifter und lasse das machen …
Zum Aufstehen aus dem Bett brauchte ich eine Hand meines Mannes und einen Stuhl zum Anhalten … jetzt den Lifter
In den Urlaub bin ich gern gefahren, war mir total wichtig. Jetzt muss der Lifter mit und am besten das Pflegebett auch noch, schließlich schlafe ich nur noch auf dem Rücken und muss die Matratze verstellen können, sonst gibts Rückenschmerzen. Habe noch nichts passendes gefunden, um die Beine gut und sicher für die Nacht hochlagern zu können. Ich bräuchte bald einen Anhänger, um alle nötigen Hilfsmittel unter zu bekommen.

Ich sehe nicht ein, dass ich am normalen Leben nicht mehr teilhaben kann, aber die Grenzen werden immer enger…

Zum Kotzen ist das … echt!
Ich hofe, ich schaffe es bald, die Situationen weniger einschränkend zu bewerten.

LG
Bay

Hallo Bay,

meine Situation ist ganz ähnlich wie Deine.

Verschärft hat sich meine Situation durch einen Unfall im Herbst letzten Jahres. Ich habe mir bei einem Sturz aus dem Rollstuhl beide Oberschenkel gebrochen.

Ich war danach einen Monat im Krankenhaus mit drei Operationen und einer Coronainfektion.

Danach musste ich einen Monat in eine Pflegeeinrichtung, das war der Horror. Es waren nur demente Menschen dort.

Physiotherapie hatte ich in der Zeit nur sehr selten und entsprechend habe ich abgebaut.

Ich durfte meine Beine auch drei Monate lang nicht belasten. Ich hatte Angst, vollends bettlägerig zu sein.

Als ich dann wieder nach Hause konnte und mein Bett im Wohnzimmer aufgeschlagen hatte, ging es aufwärts.

Ich werde demnächst ein Lifter haben. Er ist bereits bewilligt. Aber mit dem Einbau zieht es sich noch etwas hin, weil hier Sommerferien sind.

Den Transfer vom Bett in den Rollstuhl oder auf den Toilettenduchrolli und zurück, kann ich auch nicht mehr alleine bewältigen.

Wir sind aus dem gerade dabei, ein behindertengerechtes Auto zu kaufen. Das ist ein ganz spezielles Thema.

Mein Mann hilft mir sehr viel. Allerdings ist er Lehrer und ab nächste Woche wieder in der Schule.

Ich habe viele Personen, die mir helfen.

Morgens kommt der Pflegedienst zum waschen und für den Toilettengang oder auch Windeln wechseln.

Ich habe derzeit vier Frauen, die mich privat unterstützen.

Zwei Frauen kommen aus dem Bereich der Pflege. Sie haben mich mal angesprochen, dass ich von Ihnen Hilfe bekommen kann, wenn ich sie brauche. Irgendwann musste ich darauf zurückkommen.

Zwei weitere Frauen haben mit der Pflege ursprünglich nichts zu tun, haben sich aber gut eingearbeitet.

Das alles läuft ziemlich gut. Sie sind sehr nett, putzen und kochen, unterstützen mich auch bei der Körperpflege.

Allerdings ist das Ganze natürlich auch recht teuer. Einiges kann über die Pflegeversicherung laufen, aber bei weitem nicht alles.

Ich empfinde das als große Unterstützung. Aber anders ginge es auch nicht. Mein Mann könnte nicht arbeiten gehen. Und auch Freizeitaktivitäten wären für meinen Mann komplett unmöglich.

In den Sommerferien haben wir einige kleine Ausflüge gemacht. Naja, eigentlich waren es nur Halbtagesausflüge. Dann sind meine Batterien leer.

Urlaubsreisen liegen schon einige Jahre zurück. Wie du dir denken kannst, ist es nicht so einfach und mit viel Aufwand verbunden.

In der Vergangenheit war ich eine rechte Reisetante. Einmal im Jahr Urlaub musste sein, oft waren es aber zwei oder drei Urlaubsreisen und dazu noch einige Städtetouren.

Jetzt liege ich überwiegend im Pflegebett und bin froh, wenn ich das Bett mit Hilfe verlassen kann und mit Unterstützung mal in der näheren Umgebung raus kann.

Psychisch geht es mir dank der Hilfe meines Mannes und auch meiner Familie, die allerdings recht weit weg wohnt, und auch der vier Frauen ganz gut.

Trotzdem würde ich schon noch mal gerne in Urlaub fahren! Die Urlaubsziele, die mich reizen, sind allerdings viel zu weit weg und alles andere als rollstuhlgerecht.

Viele Grüße

Isabi

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Hallo Isabi,

jetzt komme ich endlich dazu, dir zu antworten.

Deine Situation klingt im ersten Moment sehr anstrengend und sie ist es garantiert auch.
Gleichzeitig wirken deine Worte aber auch so, als hättest du die größte Hürde, die Akzeptanz und Anpassung bereits hinter dich gebracht. Das freut mich.

Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass genau diese beiden Punkte am Schwersten sind. Zu dem Punkt zu kommen, an dem man das was ist akzeptiert und aus tiefer Überzeugung “Ich mach das Beste draus” sagen kann.

Schön ist es trotzdem noch immer nicht, zu beobachten, wie man durch die Behinderung eingeschränkt wird. Ein großer mist ist das. Aber es ist wie es ist …

Vielleicht kannst du für dich noch einen machbaren Urlaubsort finden und deinen Sehnsuchtsort durch Reportagen und Bücher udgl. bereisen? natürlich nicht das selbe, aber vielleicht ein Trost?

Ich hadere auch gerade mit der Urlaubspanung und würde eigentlich mal wieder gerne fliegen. Aber mit Lifter wird das etwas kompliziert. Ich lasse mir das noch etwas durch den Kopf gehen :thinking:

LG
Bay

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