Ich glaube, es hängt auch immer davon ab, wie cool man damit umgeht. Das strahlt auf andere ab, und vielleicht spielt auch eine Prise Humor mit rein – vor allem, wenn man sich selbst nicht zu ernst nimmt. Der Azubi kann nichts dafür, also nimm es ihm nicht übel, auch wenn es im ersten Moment verletzend war.
Alles in allem weiß ich nicht einmal, ob ich mich den anderen hier anschließen würde. Selbst als ich meine MS noch weit von mir geschoben und verschwiegen habe, blieb es dabei, dass es immer auf den Betrieb ankommt. Ich habe nie lange in einem Unternehmen gearbeitet, in dem mir die Bedingungen nicht gefallen haben, und bin immer schnell geflüchtet. In Außenstellen oder verschiedenen Filialen einer großen Firma kann es sehr unterschiedlich ablaufen, obwohl die Arbeit dieselbe bleibt. Mir stieß das immer auf, aus verschwiedenen Gründen. Ich bin bis heute der Überzeugung, dass eine psychologische Begutachtung in Betrieben helfen könnte, diese “gesund” zu halten. Auch wenn das bedeutet, dass der Stuhl des Chefs wackeln könnte… Mit einer “Ich war nie krank”-Mentalität von Vorgesetzten ist nichts gewonnen. Wenn Mitarbeiter aus Angst oder Druck krank zur Arbeit kommen, ist langfristig nichts gewonnen. Im Gegenteil, diese Mitarbeiter sind häufiger krank, und was das mittelfristig für ihre Gesundheit bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.
Oft wird die Philosophie des Chefs übernommen, z.B. durch dumme Sprüche, die die Kollegen anstacheln. Jeder weiß, was das für das Immunsystem bedeutet – der Gedanke, bloß nicht krank zu melden, nur um am Ende mit 65/67 Jahren in Rente zu gehen und vielleicht einen Schlaganfall zu bekommen… Und das alles, um die Rentenkassen zu schonen? Ja, ich weiß, dass ich ein Leistungsträger bin – vielleicht immer noch –, und ich mache meine Arbeit gerne. Aber meine jetzige Vorgesetzte ist mir ein Graus, zum Glück ist das bald vorbei. Neulich fragte ich sie etwas, das uns allen von ihrem Vorgesetzten erklärt wurde, doch sie meinte plötzlich, das sei Unsinn, und machte noch etliche taktlose Bemerkungen. Gleichzeitig erfahre ich von woanders ganz andere Informationen. In dem Moment dachte ich nur:
Ich weiß aber auch aus meiner eigenen Familie, dass man mit anderen Qualitäten bei der Arbeit glänzen kann, z.B. mit Wissen, das niemand sonst hat. Mein Bruder war damals an einer Covid-Software beteiligt, die heute nur noch eine Datenkrake ist. Er wusste das. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Kurzarbeitergeld. Natürlich kann das schützen, aber in wirklich “gesunden” Betrieben mit vertrauensvollem Umgang ist das anders. In Betrieben, wo sich niemand etwas gönnt, werden Leistungsträger immer abwandern. Wenn ich auf meine neurodegenerative Erkrankung angesprochen werde (wenn es beruflich relevant ist), vergleiche ich das oft mit jemandem, der vielleicht morgen vom Blitz getroffen wird und sich dessen gar nicht bewusst ist.
Klar, es gibt auch Leute, die sich selbst gut verkaufen können und weit kommen. Sie sind wichtig, aber sie sollten ihre Mitarbeiter nicht ausnutzen. Eine Hand wäscht die andere. Leider sind es oft die narzisstischen und psychopathischen “Scheiß-zu-Gold”-Macher, die alles an sich reißen. Deshalb finde ich eine psychologische Begutachtung so wichtig – wenn es in einem Unternehmen brennt, liegt es oft an Fehlern von oben, die dann schwer wieder einzudämmen sind. Zuerst rühmen sie sich, dass ohne sie nichts laufen würde, aber bei näherem Hinsehen war es vielen einfach egal, und es ging nur um den eigenen Vorteil. Es gibt so viele Bedingungen, unter denen Mitarbeiter leiden, und das ist oft sogar nachweislich ungesund.
In meinem Berufsfeld bedeutet das z.B. eine Planungssicherheit von nur vier Tagen, mit ständig wechselnden Schichten. Das betrifft auch viele andere Branchen. Eigentlich könnten Führungskräfte das besser planen, aber oft wird es nicht gemacht – “Das war schon immer so, ich habe es ja auch geschafft” oder “Mir egal, die 10-11 Stunden wurden eingehalten”. Lösungen werden belächelt oder es artet in Mikromanagement aus, weil die Mitarbeiter anfangen, ihre Dienstzeiten untereinander zu tauschen, anstatt dass der Chef mitdenkt.
Alles in allem zeigt mir das, dass ich beruflich auf dem richtigen Weg bin, um Abstand zu gewinnen. Mittelfristig möchte ich etwas machen, bei dem ich den ganzen Tag mit Zahlen beschäftigt bin – Zahlen lügen nicht.
Und um auf das Thema zurückzukommen, ob ich so etwas schon erlebt habe: Ja. Aber heute gehe ich damit gelassen, schlagfertig und cool um. Als ich noch die neurologischen Nebenwirkungen von Fampridin hatte, lachte mich mal ein Typ aus der Nachbarschaft aus, als er sah, wie mein linkes Bein Macken machte. Ein halbes Jahr später hatte sich das erledigt. Als wir zusammen einkaufen waren, schickte ich meine Frau zum Auto, da ich den Typen mit seinen Kumpels und seiner Freundin vor dem Eingang sah. Nett, wie er meiner Frau hinterherguckte und ihr dann half, den Einkauf ins Auto zu laden, als sie ihn darum bat. Dann kam ich dazu, wir tauschten eine Liebkosung aus, und ich sagte: “Cooler Service von Rewe, sollten wir öfter nutzen.” Er hätte darauf einsteigen können, aber er sagte nichts und es gab so viele Möglichkeiten!!! Übrigens war das auf dem Behindertenparkplatz direkt neben dem Eingang. Seine Freunde haben das mitbekommen. Seitdem habe ich zumindestens ihn nie wieder dort gesehen. Ich nutze die Parkplätze gerne, der GdB erlaubt es, und da der Parkplatz oft überlaufen ist, spart das Zeit.
Soo…uff… Das war jetzt echt viel Text. Sorry dafür!