Hallo!
Ich bin verunsichert und schockiert.
Seit 9 Jahren lebe ich nun schon mit der Diagnose MS und hatte mehrere heftige Schübe, die ihre Spuren hinterlassen haben. Ich bin für längere Strecken auf den Rollstuhl angewiesen, komme im Alltag aber gut klar.
Mein größtes Problem mit der MS-Diagnose war, dass mich mein damaliger Partner aufgrund dessen verließ und ich seitdem niemanden mehr an meiner Seite hatte, der eine längere Zeit mit mir überstanden hätte. (Das mag aber daran liegen, dass ich auch abgesehen von der MS ein recht eigenwilliger Mensch bin).
Vor ca. einem Jahr sprach mich beim Einkaufen auf sehr charmante Art ein Mann an, mit dem ich ins Gespräch kam und mich spontan zu ihm hingezogen fühlte. Wir verabredeten uns zum Eis essen und trafen uns daraufhin zunehmend häufig. Ich war so verliebt, wie schon lange nicht mehr und hatte das Gefühl, dass meine Behinderung keinerlei Bedeutung für ihn hatte.
Wir sind nun schon seit einigen Monaten “liiert” und ich plante im Geiste schon eine gemeinsame Zukunft mit ihm, als er mir in der vergangenen Woche eröffnete, dass ich seine Traumfrau sei, weil er schon sein Leben lang davon geträumt hätte, eine behinderte Freundin zu haben. Besonders die Perspektive, dass meine Behinderung ja vermeintlich progressiv sei und ich demnach zunehmend auf seine Hilfe angewiesen sein würde, wäre für ihn eine Idealvorstellung unserer Partnerschaft.
Ich war völlig schockiert und habe ihm gesagt, er solle gehen und ich wolle ihn nie wieder sehen.
Jetzt merke ich, dass das gar nicht stimmt. Ich vermisse ihn sehr und immerhin war seine Zuneigung (aufgrund welcher Tatsachen auch immer) so stark, dass er meinen schwierigen Charakter dafür hat aushalten können.
Was soll ich tun?
Ist es verwerflich, wenn eine Beziehung auf solchen Neigungen aufgebaut ist?
Wie soll ich damit umgehen?
Immerhin hätte ich einen Partner, der bereit wäre, mich auszuhalten, egal welche Einschränkungen und Behinderungen durch die MS auf mich zukommen.
Einen Partner, den ich zu lieben glaubte.
Eure
Nele

puh, schwierige Entscheidung…

Also, mir persönlich wäre das nichts. Ich hätte immer das Gefühl, dass sich mein Partner freut wenn es mir schlechter geht und mehr auf Hilfe angewiesen bin. Nein, ich glaube, das könnte ich nicht.

Ich habe mal einen Bericht gesehen, wo ein Mann seine Frau regelrecht gemästet hat, weil er auf sehr dicke Frauen steht. Die Frau konnte nachher nicht mehr das Bett, geschweige denn das Haus verlassen! Sorry, aber klingt für mich ehrlich.

S

Hallo S.
danke für deine schnelle, ehrliche Antwort.
Genau das war auch mein erster Impuls.
Ich muss dazu aber vielleicht ergänzen, dass mein Partner sich wirklich sehr liebevoll und fürsorglich um mich gekümmert hat, wenn es mir mal nicht so gut ging, ohne dass ich jedoch das Gefühl hatte, er freut sich über meine Beschwerden. Im Gegenteil - er hat mich sehr darin unterstützt, so selbstständig wie möglich zu sein. Er hat sich nicht im Geringsten so verhalten, dass man hätte auf die Idee kommen können, dass es ihm gefällt, wenn ich etwas nicht alleine schaffe und er mir helfen muss.
Er hat ein Talent dafür, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Das heißt, nur dann zu helfen, wenn es wirklich notwendig ist und sich dabei so zu verhalten, dass sich seine Unterstützung völlig selbstverständlich und unaufdringlich anfühlt.
Deshalb war ich ja so schockiert.
Diese Neigung!!!
Bei einem so tollen, einfühlsamen Mann!
Heul!
Nele

glaub dir, dass das zum Heulen ist. Mir ginge es nicht anders.

Ich habe gerade mal gegoogelt und festgestellt, dass eine solche Vorliebe nicht so selten ist. Wird von den behinderten Frauen unterschiedlich aufgenommen, aber wohl eher ablehnend.

Ich meine, andererseits hat er dir ja immerhin die Wahrheit gesagt; er hätte es ja auch verheimlichen können. Du wärst vermutlich nicht auf so eine Idee gekommen.

Wie gesagt: Schwierige Entscheidung.

Diese wird dir auch niemand abnehmen können. Vielleicht wartest du einfach noch ein bisschen ab und schaust was passiert…

VG - S

Hallo Nele,

es gibt Männer mit außergewöhnlichen Neigungen, auch in dieser Richtung. Sie suchen gehbehinderte, querschnittsgelähmte, inkontinente oder anderweitig eingeschränkte Frauen, weil sie das erregt (das heißt Amelotatismus oder Deformationsfetischismus). Das ist nur eine von vielen Facetten der menschlichen Sexualität. In der Psychiatrie nennt man das “Störung der Sexualpräferenz”.

Solche Männer kannst du leider auch jede Menge finden in seriösen Online-Kontaktbörsen für Behinderte. Dort suchen auch viele Amelos eine Partnerin. Sie finden es zum Beispiel erregend, wenn sie inkontinent ist oder gewickelt werden muss. Oder sie suchen eine Frau mit Prothese oder einer amputierten Brust. Wie frau damit umgeht, ist ihre Entscheidung. Verwerflich ist es wohl nicht, so lange beide erwachsen sind und beide ihr Vergnügen dabei haben, nur finde ich es etwas befremdlich, aber wahrscheinlich bin ich für sowas schon etwas zu alt.

Alles Gute
Gisela

Bei mir ist es ähnlich.
Nur, daß der Mann ein deutlich erkennbar schwieriger Charakter ist. Es geht hier
n i ch t um Nächstenliebe! Sondern um ein Dominanz- und Machtgefühl gegenüber Frauen.
Je schlechter es mir geht, um so zufriedener ist er. Denn dann kann ich weniger Freiraum nutzen, was mich kontrollierbarer macht.
Und für fehlende Dankbarkeit werde ich dann (psychisch) bestraft.

Da mir alternativ nur das Mehrbettzimmer im Pflegeheim bleibt, konnte ich mich dazu noch nicht durchringen.

VG
egal

“Ich muss dazu aber vielleicht ergänzen, dass mein Partner sich wirklich sehr liebevoll und fürsorglich um mich gekümmert hat, wenn es mir mal nicht so gut ging, ohne dass ich jedoch das Gefühl hatte, er freut sich über meine Beschwerden. Im Gegenteil - er hat mich sehr darin unterstützt, so selbstständig wie möglich zu sein. Er hat sich nicht im Geringsten so verhalten, dass man hätte auf die Idee kommen können, dass es ihm gefällt, wenn ich etwas nicht alleine schaffe und er mir helfen muss.
Er hat ein Talent dafür, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Das heißt, nur dann zu helfen, wenn es wirklich notwendig ist und sich dabei so zu verhalten, dass sich seine Unterstützung völlig selbstverständlich und unaufdringlich anfühlt.”

-> Hmmm, ist es möglich, dass dein Partner sich mit seiner Aussage, eine behinderte Frau wäre seine Traumfrau, extrem unglücklich ausgedrückt hat?
Eventuell bei dir jeden Komplex vermeiden wollte?

Hallo Nele,

deine Schilderung hat mich als erstes an einen Psychthriller denken lassen.

Alles, was du so schreibst, beschreibst und was du empfindest macht die Situation wirklich schwierig.
Wie wäre es wenn du mit ihm noch mal redest und ihm sagst, wie es dir mit dem was er gesagt hat geht? Und wenn du ihm Fragen stellst, die dir jetzt durch den Kopf gehen, deine Bedenken und Befürchtungen äußerst? - Oder würdest du gleich wieder dahin schmelzen?
Vielleicht ist ja auch was dran an der Frage von Tilli?

Bei mir bleibt jedenfalls ein Grummeln im Bauch. Apropos Bauch: Höre auf deinen Bauch und deine Intuition. Damit liegen wir Frauen oft richtig.

Puh!
Alles Gute.
Grüße von Lena

Es gibt einen Typus Mann, der braucht unselbständige Frauen an seiner Seite.
Es gibt einen Typus Mann, der auf hilflose Frauen steht.
Es gibt einen Typus Mann, den ich erbschleichenden Hochstapler nenne…
Diese 3 Arten von Typen finden wir natürlich auch unter Frauen!
Das Krankenschwester-Syndrom sei u.a. erwähnt…

Es soll aber auch einen 4. Typus geben: Ein Mensch - egal, ob Mann oder Frau - der dich liebt…hmm?

Welcher soll dein Herzblatt sein?

Nele, frage dich doch einfach mal selbst:

LIEBE ich diesen Mann?

Wenn ja, dann dürfte dir auch seine kleine Vorliebe egal sein.
Genauso, wie ihm, wenn er dich liebt, deine kleine Behinderung egal sein wird.
Und wenn das alles nicht so ist, dann schieß ihn in den Wind.

Ich danke euch allen für die vielen einfühlsamen Ratschläge.
@gustave: ich wähle Typus Nr.4 :o)
@Tilli: ich hoffe, dass du recht hast. Deine Interpretation klingt so viel netter, als meine spontane Wahrnehmung der Situation.

Ich habe in den letzten Tagen zunehmend gemerkt, dass ich mir ein Leben ohne IHN nicht mehr vorstellen kann. Umso dramatischer kam mir sein Geständnis vor. Aber - wie ihr schon sagtet - immerhin hat er sich mir geöffnet - hätte er ja gar nicht tun müssen!. Das hat wahrscheinlich auch viel mir Vertrauen seinerseits zu tun.
Mir hat es sehr gut getan, mir hier alles mal von der Seele zu schreiben und auf so empathische Ohren zu treffen.
Ich werde ihn morgen mal anrufen und mich mir ihm zum Eis essen verabreden. Immerhin hat so alles angefangen.
Danke!
Nele

Hallo,

was gibt e snur für Arschlöscher und Perverse von Menschen!
Es ist einfach nur widerlich. Dein Mann muß doch an übelsten Minderwertigkeitskomplexen leiden, wenn er sich aus Deinem Elend für sich ein Machtgefühl heraus- und herunterholt!
Einfach ein wiederliches Arschloch. Solche Menschen hasse ich wie die Pest!!!
Leider kann ich Dir nicht helfen.
Es gibt genug Charakterschweine auf der Welt.

Mfg
Uwe

Ach, danke Uwe!

Manche Tage bin ich schon am Verzweifeln. Gottseidank ist er beruflich oft unterwegs und dann kann ich mich wieder etwas erholen.

Oft denke ich, wenn Fremde diese “Betreuung” mitbekommen (wirkt auf Fremde seehr fürsorglich), wenn ihr wüßtet, wäre niemand da neidisch…
Es ist sehr anstrengend, so zu leben.

Irgendwo habe ich immer noch die Hoffnung, da wieder rauszukommen, o h n e
in ein Heim zu müssen.

LG

egal

Re-Nele,

ganz so einfach ist das m.E. nach nicht. Ich glaube eher, dass Nele um ihrer selbst willen geliebt werden möchte und nicht wegen ihrer Behinderung.

Amelotatismus ist keine “kleine” Vorliebe". Und Nele’s Behinderung, die (hoffentlich mehr werdende) Abhängigkeit ist ihm ja eben NICHT egal. Sie ist sehr wichtig für ihn.

Da würde ich schon genau überlegen ob ich damit leben könnte. Aber wenigstens ist er ehrlich. Das ist ja schon mal gut.

Nico

Mir geht es besser!
Ich habe eben ausgiebig mit meinem (wohl doch nicht Ex-) Partner telefoniert.
Ich habe ihm ganz genau beschrieben, wie ich mich mit seiner Offenbarung gefühlt habe.
Er war sehr verzweifelt, weil er mich nicht hatte verletzen wollen und unsere Beziehung durch seine Worte eher stärken als zerstören wollte.
(Ein bisschen, wie Tilli schon vermutete)
Seine Tendenz, sich zu behinderten Frauen hingezogen zu fühlen ist sicherlich ungewöhnlich. Aber letztlich würde sich wahrscheinlich niemand daran stören, wenn ein Mann seiner blonden, schlanken und sportlichen Frau sagen würde, dass sie aufgrund dieser Eigenschaften seine Traumfrau sei, da er schon immer eine Vorliebe für sportliche Blondinen gehabt habe. Trotzdem wäre er mit dieser Frau wahrscheinlich nicht glücklich, wenn sie nicht auch andere Qualitäten hätte.
Und ich bin eben nicht sportlich und blond. Sonst wäre ich sicherlich die Traumfrau eines anderen. Ich bin MSkrank und behindert und mein Freund mag diese Eigenschaften, liebt mich aber aufgrund meines Charakters (und wer den aushalten kann, muss mich wirklich sehr lieben…)
Wir werden noch mal von vorne anfangen. Zwar nicht bei Eis, sondern beim Pizza essen, aber ich freue mich schon darauf!
Ich danke euch für die vielen Denkanstöße!
Ihr habt mir sehr geholfen!
Alles Liebe
Nele

Hallo Nele,
Dein positives Feedback freut mich. Ich wünsche Dir für Deine Partnerschaft alles gute. Ich war immer jmd deer sehr selbständig war u dadurch habe ich meinem Mann wohl indirekt zu verstehen gegeben, daß ich ihn ja gar nicht brauche weil ich so stark bin. Als ich so krank wurde fand ein großer Umbruch statt. Ich habe mit meinen Charkter eigenschaften gewonnen :slight_smile: (ich hatte einige jüngere u gesündere Konkurrenz). Ich habe aber auch gekämpft wie eine Löwin. Ich kam mir sehr oft zurückgesetzt vor weil ich krank bin aber diese Krankheit macht nicht unsere Persönlichkeit aus und die zählt schlußendlich. für mich ist meine Partnerschaft auch ein Ansporn alles zu versuchen um nicht hinfälliger zu werden… Also weiter kämpfen.