Hallo Antonia,
Enzymkapseln sind bei MS nachweislich unwirksam. Diese Kapseln (Wobenzym, Phlogenzym) enthalten Extrakte aus Ananas und Papaya, und Pankreatin aus Schweine-Bauchspeicheldrüsen, d.h. aus Schlachtabfall (also nichts bei schweinefleischfreier Diät!).
Pankreatin bewirkt bei einer Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse, also bei zu wenig eigenem Bauchspeicheldrüsenenzym, eine Verbesserung der Verdauung. Für Pankreasinsuffizienz gibt es aber diverse Präparate mit Schweine-Pankreatin, die verschreibungs- und erstattungsfähig sind. Du musst also nicht das teure Wobabzockzym kaufen und die Reklame dafür mitfinanzieren. Gehe zum Internisten und lasse dir eine Pankreasinsuffizienz diagnostizieren und z.B. Panzynorm verschreiben.
Die Wobenzym-Kapseln sind recht teuer, man soll sie aber laut Mucos-Empfehlung für die verschiedenen Beschwerden oft in großen Mengen als eine Art „Stoßtherapie“ einnehmen. Es gibt übrigens sogar “alternativ” eingestellte Neurologen, die ihren MS-Patienten Enzympillen als “sanfte”, “ganzheitliche” … usw. MS-Therapie empfehlen. Ob die dafür wohl Provision von Mucos kassieren???
Und was ist “sanft” an einer Therapie, die keine Wirkung hat und dem Patienten nichts nützen und zu keiner Besserung führen kann, sondern ihn nur ärmer und kränker macht (wenn mal der Placebo-Effekt verpufft ist)?
Was man tatsächlich dadurch verspüren kann, ist allenfalls eine Verbesserung der Verdauung. Dieses gewinnbringende Zeug ist kaum mehr als ein besseres Abführmittel.
Die Apotheker verdienen sich mit solchen Regalfüllern eine goldene Nase an Gesunden, die auf die Wellness-Werbeversprechungen in Laienpublikationen und im TV reinfallen. Es wird behauptet, dass diese Verdauungsenzyme durch den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt werden, auf diesem Weg zu Entzündungsherden und Blutergüssen gelangen, und diese quasi „sanft abschwellen und auflösen“.
Simple Frage: Wie können Pankreasenzyme von Schweinen oder Extrakte von Ananasstrünken (Abfall bei der Konservenherstellung) so etwas bewirken? Wenn das funktionieren würde, müssten doch körpereigene Enzyme aus der eigenen Bauchspeicheldrüse das viel besser können. Meine eigenen Bauchspeicheldrüsenenzyme finden aber nicht aus meinem Verdauungstrakt heraus und zu den MS-Herden, sondern bleiben da, wo sie hingehören, also, wie sollen dann in Wobabzockzym-Pillen gefüllte körperfremde Extrakte aus den Bauchspeicheldrüsen von toten Schweinen in meinem ZNS wirken können?
Dass das Unfug ist, merkt ein Blinder mit dem Krückstock. Solche Enzyme bleiben nachweislich zu 99,9 % im Verdauungstrakt, und auch der Hersteller dieser Placebopillen kann keine plausible Erklärung dafür abgeben, wie sie denn anderswo hin gelangen und dort wirken sollen.
Die Unwirksamkeit von Enzymen bei MS wurde in Studien nachgewiesen.
http://www.ms-infozentrum.de/article.php?op=Print&sid=1257 - sie können sogar zu einer Verschlechterung führen. Mucos, der Hersteller der meistgekauften Enzym-Kapseln, finanzierte die erwähnte Studie sogar selbst, sie wurde aber wegen des – wohl eher peinlichen – zu erwartenden Ergebnisses verfrüht abgebrochen, und das Ergebnis sickerte erst allmählich durch.
Zu den Werbemethoden hier noch was Interessantes zum Nachlesen:
http://www.wdr.de/tv/service/gesundheit/inhalt/20040126/b_3.phtml
„Laut Professor Glaeske erzielte Mucos Pharma im Jahr 2002 mit „Wobenzym N“ einen Umsatz von 29 Millionen Euro, „Phlogenzym“ brachte 12 Millionen Euro.“ – Davon kann Mucos es sich leisten, Gesundheitsmagazine im TV mit sechsstelligen Summen zu sponsern, wo dann irgendwelche “Studiogäste” und Pseudo-Professoren diese Pillen in den höchsten Tönen loben:
http://t-off.khd-research.net/Spiegel/22.html#ZDF
Nebenwirkungen laut Beipackzettel:
"Häufig kann durch die Enzymwirk. eine harml. Veränderung des Stuhls in Beschaffenheit, Farbe u. Geruch auftreten. Selt. beobachtete allerg. Reaktionen klingen nach Absetzen der Medikation ab. In Einzelf. kann es jedoch auch zu schw. Reaktionen bis hin zum anaphylakt. Schock kommen.
Bei Einnahme höherer Einzeldosen wurde häufig über Völlegefühl, Blähungen u. vereinzelt über Übelk. berichtet. Dies läßt sich durch Verteilen der Dosis über den Tag vermeiden. Eine Vermind. der Gerinnungsfähigk. d. Blutes kann nicht ausgeschlossen werden." (BPZ Ende)
Wer Schweinefleisch – warum auch immer – meiden will, oder es nicht verträgt, sollte diese Enzyme jedenfalls nicht nehmen, und auch bei Blutgerinnungsstörungen oder Behandlung mit Gerinnungshemmern und in der Schwangerschaft sollte man es damit lieber nicht riskieren.
Bei Allergien und Asthma sollte man mit Präparaten wie Wobenzym oder Phlogenzym ohnehin sehr vorsichtig sein (besonders wenn man Ananas oder Papaya nicht verträgt). Ansonsten ist es allemal gesünder, Früchte frisch zu kaufen und zu essen (bei Ananas den Strunk mitessen!), als deren Extrakte in Kapseln zu schlucken.
Problematisch bei Pankreatinpräparaten ist, dass sie die Resorption von Folsäure beeinträchtigen können. Gerade Folsäure soll sich aber günstig auf die Nervenfunktion auswirken. Ich persönlich halte den Konsum von Pankreatinkapseln bei MS darum für kontraproduktiv.
Damit sie nicht so nach Schlachthof riechen, ist diesen Kapseln eine Menge Vanillin zugesetzt. Übrigens, bis 2005 enthielten die ach so “alternativen” Wobabzockzym-Kapseln auch Dibutylphthalat, einen krebserregenden Weichmacher, der im Verdacht steht, das Hirn zu schädigen – das verschwand dann klammheimlich aus der Zusammensetzung.
Ich würde mich lieber auf Medizin verlassen als auf so etwas. “Alternative” Methoden würde ich nur zusätzlich und begleitend zur wissenschaftlich abgesicherten Therapie anwenden, sofern ich mich damit wohl fühle und dafür Geld übrig habe. Auch die Herstellerfirmen „alternativer“ Mittel und die Anwender „alternativer“ Methoden sind keine Wohltäter, sondern wollen Gewinne machen. Ein Heilpraktiker verdient am Nichtstun, an ein bisschen Hokuspokus und an Zuckerkügelchen weit mehr als ein niedergelassener Kassenarzt, der seinen Patienten wirklich helfen will - und dafür dann von der KV in Regress genommen wird!
Hier noch eine informative Seite zu Alternativmethoden: http://home.arcor.de/paralex/content/index.htm
Also, immer schön kritisch bleiben! Schließlich werden Wissenschaftsmediziner und die Hersteller echter Medikamente von den Pharmakritikern nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst; also müssen sich “Alternativheiler” und die Hersteller von umsatzstarken Placebos ebenso kritische Fragen gefallen lassen.
LG Elke