Hallo MS -ler

Habe seit 2005 Diagnose MS, nach dem 1. Schub gleich Avonex und bin seitdem halbwegs verschont geblieben. Dieses Jahr habe ich mit dem Avonex aufgehört. Im Moment kribbelt´s wieder in den Beinen. Was mir mein Arzt noch nicht beantworten konnte: Wie erkenne ich, ob sich ein Schub anbahnt? Was habt ihr für Erfahrungen? Kann es sein, dass ich mich durch eine Wandertour überanstrengt habe und “es” jetzt wieder losgeht?
Habt ihr Erfahrungen mit alternativen Therapiemethoden, Z.B. hoch dosiertes Wobenzym als Schubtherapie? (Habe ich mal irgendwo gelesen)
Könnt ihr mir einen guten Alternativmediziner im Raum Karlsruhe empfehlen?

Würde mich sehr freuen, wenn jemand sich zu Wort meldet!

Hallo Antonia,

Enzymkapseln sind bei MS nachweislich unwirksam. Diese Kapseln (Wobenzym, Phlogenzym) enthalten Extrakte aus Ananas und Papaya, und Pankreatin aus Schweine-Bauchspeicheldrüsen, d.h. aus Schlachtabfall (also nichts bei schweinefleischfreier Diät!).

Pankreatin bewirkt bei einer Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse, also bei zu wenig eigenem Bauchspeicheldrüsenenzym, eine Verbesserung der Verdauung. Für Pankreasinsuffizienz gibt es aber diverse Präparate mit Schweine-Pankreatin, die verschreibungs- und erstattungsfähig sind. Du musst also nicht das teure Wobabzockzym kaufen und die Reklame dafür mitfinanzieren. Gehe zum Internisten und lasse dir eine Pankreasinsuffizienz diagnostizieren und z.B. Panzynorm verschreiben.

Die Wobenzym-Kapseln sind recht teuer, man soll sie aber laut Mucos-Empfehlung für die verschiedenen Beschwerden oft in großen Mengen als eine Art „Stoßtherapie“ einnehmen. Es gibt übrigens sogar “alternativ” eingestellte Neurologen, die ihren MS-Patienten Enzympillen als “sanfte”, “ganzheitliche” … usw. MS-Therapie empfehlen. Ob die dafür wohl Provision von Mucos kassieren???

Und was ist “sanft” an einer Therapie, die keine Wirkung hat und dem Patienten nichts nützen und zu keiner Besserung führen kann, sondern ihn nur ärmer und kränker macht (wenn mal der Placebo-Effekt verpufft ist)?

Was man tatsächlich dadurch verspüren kann, ist allenfalls eine Verbesserung der Verdauung. Dieses gewinnbringende Zeug ist kaum mehr als ein besseres Abführmittel.

Die Apotheker verdienen sich mit solchen Regalfüllern eine goldene Nase an Gesunden, die auf die Wellness-Werbeversprechungen in Laienpublikationen und im TV reinfallen. Es wird behauptet, dass diese Verdauungsenzyme durch den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt werden, auf diesem Weg zu Entzündungsherden und Blutergüssen gelangen, und diese quasi „sanft abschwellen und auflösen“.

Simple Frage: Wie können Pankreasenzyme von Schweinen oder Extrakte von Ananasstrünken (Abfall bei der Konservenherstellung) so etwas bewirken? Wenn das funktionieren würde, müssten doch körpereigene Enzyme aus der eigenen Bauchspeicheldrüse das viel besser können. Meine eigenen Bauchspeicheldrüsenenzyme finden aber nicht aus meinem Verdauungstrakt heraus und zu den MS-Herden, sondern bleiben da, wo sie hingehören, also, wie sollen dann in Wobabzockzym-Pillen gefüllte körperfremde Extrakte aus den Bauchspeicheldrüsen von toten Schweinen in meinem ZNS wirken können?

Dass das Unfug ist, merkt ein Blinder mit dem Krückstock. Solche Enzyme bleiben nachweislich zu 99,9 % im Verdauungstrakt, und auch der Hersteller dieser Placebopillen kann keine plausible Erklärung dafür abgeben, wie sie denn anderswo hin gelangen und dort wirken sollen.

Die Unwirksamkeit von Enzymen bei MS wurde in Studien nachgewiesen.
http://www.ms-infozentrum.de/article.php?op=Print&sid=1257 - sie können sogar zu einer Verschlechterung führen. Mucos, der Hersteller der meistgekauften Enzym-Kapseln, finanzierte die erwähnte Studie sogar selbst, sie wurde aber wegen des – wohl eher peinlichen – zu erwartenden Ergebnisses verfrüht abgebrochen, und das Ergebnis sickerte erst allmählich durch.

Zu den Werbemethoden hier noch was Interessantes zum Nachlesen:
http://www.wdr.de/tv/service/gesundheit/inhalt/20040126/b_3.phtml

„Laut Professor Glaeske erzielte Mucos Pharma im Jahr 2002 mit „Wobenzym N“ einen Umsatz von 29 Millionen Euro, „Phlogenzym“ brachte 12 Millionen Euro.“ – Davon kann Mucos es sich leisten, Gesundheitsmagazine im TV mit sechsstelligen Summen zu sponsern, wo dann irgendwelche “Studiogäste” und Pseudo-Professoren diese Pillen in den höchsten Tönen loben:
http://t-off.khd-research.net/Spiegel/22.html#ZDF

Nebenwirkungen laut Beipackzettel:
"Häufig kann durch die Enzymwirk. eine harml. Veränderung des Stuhls in Beschaffenheit, Farbe u. Geruch auftreten. Selt. beobachtete allerg. Reaktionen klingen nach Absetzen der Medikation ab. In Einzelf. kann es jedoch auch zu schw. Reaktionen bis hin zum anaphylakt. Schock kommen.

Bei Einnahme höherer Einzeldosen wurde häufig über Völlegefühl, Blähungen u. vereinzelt über Übelk. berichtet. Dies läßt sich durch Verteilen der Dosis über den Tag vermeiden. Eine Vermind. der Gerinnungsfähigk. d. Blutes kann nicht ausgeschlossen werden." (BPZ Ende)

Wer Schweinefleisch – warum auch immer – meiden will, oder es nicht verträgt, sollte diese Enzyme jedenfalls nicht nehmen, und auch bei Blutgerinnungsstörungen oder Behandlung mit Gerinnungshemmern und in der Schwangerschaft sollte man es damit lieber nicht riskieren.

Bei Allergien und Asthma sollte man mit Präparaten wie Wobenzym oder Phlogenzym ohnehin sehr vorsichtig sein (besonders wenn man Ananas oder Papaya nicht verträgt). Ansonsten ist es allemal gesünder, Früchte frisch zu kaufen und zu essen (bei Ananas den Strunk mitessen!), als deren Extrakte in Kapseln zu schlucken.

Problematisch bei Pankreatinpräparaten ist, dass sie die Resorption von Folsäure beeinträchtigen können. Gerade Folsäure soll sich aber günstig auf die Nervenfunktion auswirken. Ich persönlich halte den Konsum von Pankreatinkapseln bei MS darum für kontraproduktiv.

Damit sie nicht so nach Schlachthof riechen, ist diesen Kapseln eine Menge Vanillin zugesetzt. Übrigens, bis 2005 enthielten die ach so “alternativen” Wobabzockzym-Kapseln auch Dibutylphthalat, einen krebserregenden Weichmacher, der im Verdacht steht, das Hirn zu schädigen – das verschwand dann klammheimlich aus der Zusammensetzung.

Ich würde mich lieber auf Medizin verlassen als auf so etwas. “Alternative” Methoden würde ich nur zusätzlich und begleitend zur wissenschaftlich abgesicherten Therapie anwenden, sofern ich mich damit wohl fühle und dafür Geld übrig habe. Auch die Herstellerfirmen „alternativer“ Mittel und die Anwender „alternativer“ Methoden sind keine Wohltäter, sondern wollen Gewinne machen. Ein Heilpraktiker verdient am Nichtstun, an ein bisschen Hokuspokus und an Zuckerkügelchen weit mehr als ein niedergelassener Kassenarzt, der seinen Patienten wirklich helfen will - und dafür dann von der KV in Regress genommen wird!

Hier noch eine informative Seite zu Alternativmethoden: http://home.arcor.de/paralex/content/index.htm

Also, immer schön kritisch bleiben! Schließlich werden Wissenschaftsmediziner und die Hersteller echter Medikamente von den Pharmakritikern nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst; also müssen sich “Alternativheiler” und die Hersteller von umsatzstarken Placebos ebenso kritische Fragen gefallen lassen.

LG Elke

Hallo Antonia,
man geht von einem Schub aus, wenn ein Symptom länger als 24 Stunden anhält und der letzte Schub 1 Monat zurückliegt. Das mit der Überanstrengung löst oft das “Aufblitzen” alter Symptome aus, aber nur für wenige Stunden, ohne daß es ein Schub ist. Bist Du mit Deinem Arzt zufrieden ? Nachdem er so wenig Ahnung von MS hat, solltest Du vielleicht über einen Wechsel nachdenken. Liebe Grüße und alles Gute Andrea

Hallo Andrea

Danke für die Antwort!
Ich habe meine Frage vielleicht ein bischen ungenau formuliert. Das mit dem Anhalten der Symptome hat mir mein Neuro natürlich erklärt. Aber ich finde diese Definition unzureichend, weil es immer Schwankungen gibt, Kribbeln, Zwicken, Muskelschmerzen, die manchmal auftreten aber eigentlich kein richtiger Schub sind? Meine Mutter hat auch MS und bei ihr ist es auch oft so. Sie sprach auch mal von sogenannten Pseudo- Schüben, wenn bereits abgeklungene Symptome sich wieder bemerkbar machen. Aber ob das ein gängiger Begriff ist, weiß ich nicht.
Die Frage die mich eigentlich interessiert hat, ist, ob man irgendwie merken kann, wenn sich ein Schub anbahnt. Wenn er da ist weiß ich auch, dass ich ihn habe. Gottseidank war das bei mir nur ein Mal der Fall. Kurz danach gab es eine Art Aufflackern von anderen Symptomen, die von allein wieder zurückging. Verstehst du was ich meine?

Danke!

Hallo Elke!

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Solche Informationen kriegt man auch nicht so leicht. Ich bin eigentlich ganz deiner Meinung, was das Verhältnis von Schulmedizin zu alternativer Medizin angeht. Zuerst kommt natürlich der Facharzt. Ich versuche einfach zusätzlich einiges zu machen. Das Avonex wollte ich wegen Familienplanung absetzen, werde auch irgendwann wieder damit anfangen. Jetzt will ich einfach weiter suchen, was ich machen kann, eben auch im alternativen Bereich. Dass Heilpraktiker oft nicht so viel blicken, habe ich auch schon gemerkt, man muss sich immer sein eigenes Bild machen. Ich suche eigentlich idealerweise einen Facharzt mit Zusatzqualifikation in dem Bereich.
Falls du da was weißt, wäre ich für Tips dankbar, aber du klangst nicht so, als ob du viel von alternativen Methoden hälst…
Ich habe den Eindruck, dass sich an diesem Thema die Geister total scheiden. Ich bin auf jeden Fall offen in diese Richtung, denn wenn wir mal ehrlich sind, kann die Schulmedizin zu unserer Krankheit auch keine endgültigen Aussagen machen, da gibt es auch viel Unklarheit.
Ich halte mich übrigens für kritisch.

Grüße

Hallo Antonia,
der Begriff Pseudoschub ist gängig, d.h. es tauchen stundenweise mit alte oder neue Symptome auf. Was Dein Neuro Dir gesagt hat ist ok, besser kann mans nicht beschreiben. Bis zu meinem letzten Schub war ich da auch sehr verunsichert - beim 1.Schub wußte ich von meiner MS noch nichts, beim 2. (Kribbeln im Arm) hab ichs auf exzessives Fitnesstraining und Stricken geschoben, beim 3. hatte ich Gefühlsstörungen in den Fußsohlen und Zehen die zwar unterschiedlich stark aber permanent vorhanden waren. Habe 3 Tage abgewartet und bin dann sofort zur Neuro, allerdings mit dem Gefühl sie hält mich für einen Hypochonder. Der Schub hat sich bestätigt und ich weiß jetzt, daß ich mich auf meine Wahrnehmung verlassen kann. Meine Neuro hat mir auch bestätigt, daß ich alles genau richtig gemacht habe. Mit der Faustregel gibts unterschiedliche Zeitangaben, manche meinen 24 Std., manche meinen 3 Tage. Mir erschien die 3-Tage-Regel praktikabler - man kann genauer beobachten, ob ein Symptom permanent da ist, ob es durch etwas ganz anderes verursacht wird oder man “die Flöhe husten hört”. Ich glaube es gibt keine Warnzeichen, daß sich ein Schub anbahnt - zumindest bei mir wars so, daß das Symptom einfach da war, als hätte jmd. einen Knopf gedrückt. Das kurze “Aufflackern” von Symptomen tritt bei mir bei Streß, Ärger oder Wärme (hohe Temperaturen, heiß baden) auf. Ich erklärs mir laienhaft so - da ja andere Nerven den Job übernehmen müssen (also Anlernkräfte) gibts halt immer mal wieder Aussetzer bzw. Fehlschaltungen. Bei Wärme wird (wissenschaftlich erwiesen) die Nervenleitgeschwindigkeit herabgesetzt. Hab ich Dich verstanden? Konnte ich Dir weiterhelfen? Liebe Grüße Andrea

Hallo,
ich habe meine schubförmige MS jahrelang mit hochdosiertem Cortison bekämpfen können, ich hatte so ziemlich alles von einer Halbseitenlähmung bis hin zum Empfindungsstörungen.
Es hatte sich alles wieder regeneriert. Ich will dir keine Angst machen, doch ich hatte in meiner schubfreien Zeit auch gelegentlich ein Kribbeln und sah dies immer als Zeichen meiner Krankheit um rechtzeitig einen Gang zurückzuschalten und langsamer mein Leben zu leben.Seit 9 Jahren bin ich in Behandlung bei einer Homöopathin (Dr. Vogel) in Konstanz obwohl ich aus der Pfalz komme und diese Frau konnte ich jederzeit kontaktieren und besprechen ob es ein Zeichen der MS ist, ich noch abwarten kann oder sie mir etwas entsprechendes gegen die Symptome zuschickt. Ein gutes GEfühl war das, nicht alleine zu sein, geholfen zu bekommen und ernst genommen zu werden.
SEit ich bei ihr bin hatte ich keine größeren Ausfallserscheinungen mehr außer kleinere Empfindungsstörungen mit denen man ganz gut leben kann. Ich hoffe, dir ein wenig weiter geholfen zu haben.
Ich wünsche Dir viel Glück und trotz allem ein schönes Leben.
Mit freundlichem Gruß
I.D.