Hallo Baerbelchen,
zu deiner Ausgangsfrage kann ich gerne meine Erfahrungen erzählen. Womöglich wurde Ähnliches schon irgendwo berichtet, aber ich kann mich gerade nicht durch die ganzen Threads wühlen zu Themen wie dem Umbenennen oder Löschen von Threads oder oder… Ich hoffe, ihr versteht das und seid mir nicht böse.
Also, mit der Psychiatrisierung von MS-Symptomen habe ich auch ausgiebige Erfahrung gemacht - und das trotz oder gerade wegen meiner 25 Jahre alten gesicherten MS-Diagnose.
Denn nach fast zwei Jahrzehnten, in denen ich unter Copaxone nach heftigen Anfangsjahren keine Schübe mehr hatte, in denen ich engagiert arbeitete, zwei Kinder bekam und großzog und insgesamt außer ein paar Restsymptomen recht wenig beeinträchtigt war, wurden nach einer Corona-Infektion 2023 alle möglichen Beschwerden viel schlimmer oder fingen gerade erst so richtig an: Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme, Brain Fog, schnelle Ermüdung, Schwindel…
Ich hatte von Anfang an die Befürchtung, dass meine MS die Etage gewechselt hat, aber alle meine Ärzte - von der Hausärztin und die Frauenärztin über die Psychotherapeutin bis zum Neurologen - mutmaßten (hofften?) erst mal, dass mein Zustand andere Ursachen hat: die Wechseljahre, meine halb entfernte Schilddrüse, die noch nicht lange zurückliegende Corona-Infektion, eine Depression… Letztlich verbrachte ich sogar sechs Wochen in einer psychosomatischen Klinik zur Behandlung der vermeintlichen Depression.
Das tat mir zwar irgendwie schon gut, einfach weil es eine Auszeit war ohne Verpflichtungen und mit viel Zeit für Sport, Besinnung etc. Grundsätzlich änderte sich aber natürlich nichts.
Tatsächlich war es auch bei mir die spezifische Reha in einer MS-Klinik (Schmieder), in der ich endlich auch neuropsychologisch durchgetestet wurde, worauf mir offiziell bescheinigt wurde, dass ich kognitive Einschränkungen habe wegen der MS und in meinem Beruf nicht mehr arbeitsfähig bin. Nach diesem Abschlussbericht gewährte mir DRV (die ja als Kostenträger der Reha sowieso schon die ganze Zeit eingebunden war) direkt eine halbe Erwerbsminderungsrente, die nach ein paar Monaten Bürokratie in eine volle umgewandelt wurde, weil der Arbeitsmarkt keine Möglichkeiten für mich mit meinen Einschränkungen hat.
Dies in aller Kürze.
Mein Fazit im Rückblick ist ein bisschen zweigeteilt. Natürlich hätte ich mir viel Zeit und Nerven und letztlich auch den Aufenthalt in der Psychosomatik sparen können, wenn ich gleich spezifisch auf eine schlimmer gewordene MS behandelt worden wäre.
Andererseits kann ich schon auch ein bisschen verstehen, wieso meine Behandler so gehandelt haben: Natürlich darf man nicht sämtliche Beschwerden der MS zuschreiben, “nur” weil diese Diagnose steht, und muss differenzialdiagnostisch andere mögliche Ursachen ausschließen, die ja meistens effizienter behandelt werden können. Und letztlich ist es ja auch angenehmer, seinem Patienten eine ursächliche Behandlung anzubieten, als zu sagen, dass man da eigentlich nicht mehr viel machen kann…
So, das war meine Erfahrung mit der "Psyiachiatisierung! von MS-Symptomen. Ich hoffe, das hilft ein bisschen weiter.
Viele liebe Grüße
Bigitte